Begeisterung für den VW Derby – das 110 % Vernunft Auto

Im automobilen Leben sammeln sich auch traumatische Erlebnisse, die manchmal sogar aus der Jugendzeit stammen. Ein VW Derby gehört auf jeden Fall dazu. Ein VW – was? Der Derby ist heute, vielleicht mit Recht, vergessen. Er war in meiner Erinnerung die Stufenheck Version des VW Polo.

Ein Blick zu Wikipedia bestätigt die Erinnerung.

Und frischt umgehend die Ereignisse von damals auf. Der Volkswagen Derby, er kam erstmals 1977 in die Verkaufsräume, war in Deutschland nie besonders populär gewesen. Anders als in Südeuropa, wo kleine Limousinen immer ihren Käufer fanden, fuhren hier nur vereinzelt Senioren auf den Derby ab.

Die traumatischen Erlebnisse beginnen mit einem Brand. Mein erstes Auto löst sich in Flammen auf. Ich benötige Ersatz.

VW Derby mit Paul Frère
VW Derby mit Paul Frère

Der himmelblaue VW Derby

Nachdem mein Mini den Flammen zum Opfer gefallen war, ich mir Vorwürfe anhören musste, was ich denn von diesem englischen Auto anders hätte erwarten können, spannte ich zum nächsten Kauf meinen Großvater ein. Er war ebenfalls so autoverrückt wie ich, aber mit einem rationelleren Blick auf die Dinge.

Das mit dem rationellen wusste ich – und es hätte mir eine Warnung sein sollen.

Der Weg führte zu diversen lokalen Autohäusern, mit deren Inhaber Opa auf die ein oder andere Art bekannt war. Ziemlich schnell wurden wir fündig, bei einem Händler, mit unterschiedlichen Autos.

Auf dem Gebrauchtwagenplatz stand direkt neben einem Opel Diplomat, ein himmelblauer VW Derby. Aus erster Hand kommend, Samthandschuh gepflegt und mit einem Neuwagen ähnlichen Innenraum. Ein Derby L, mit 40 PS, und einem ganz besonderen, nicht der Serie entsprechenden, Schaltknauf. Der war transparent, mit eingegossenen Blümchen, welche ebenfalls blau waren und mit der Lackierung korrespondierten.

Mein Großvater war begeistert.

Der himmelblaue Derby wäre ein gutes Angebot.

Ich sah das nicht so. Der Diplomat V8, goldfarben mit schwarzem Vinyl Dach, war das Auto meiner Wahl. Der Preis war gleich und warum weniger Auto pro DM nehmen, wenn man einen Schwermetall V8 haben konnte?

Die Fronten verhärteten sich rasch. Der Diplomat war für meinen Opa, der maximal Fahrzeuge mit Reihensechszylinder Motoren zu bewegen pflegte, eine Nummer zu wild. Zu Amerikanisch, und mit den Amerikanern hatte er traumatische Erfahrungen gemacht. Die er nie mehr ablegte.

Ich sah mich hingegen mit dem V8 herumfahren, nicht mit dem Derby sparen. Wenn man jung ist, sehr jung, will man dann einen Derby fahren?

Sicher nicht.

Wir brachen ab und wechselten das Autohaus.

Die reine Vernunft - Werbung für den VW Derby 1980
Die reine Vernunft – Werbung für den VW Derby 1980

Begeisterung für den VW Derby?

Tatsächlich war es selbst für VW schwer, jemanden für den Derby zu begeistern. Das Design war schlicht geraten, der Reiz, falls es einen gegeben haben sollte, erschloss sich selbst den Werbetextern von Volkswagen nicht.

Also musste die Lehre der reinen Vernunft helfen. Da Immanuel Kant (Link) 1980 nicht mehr zur Verfügung stand, bemühte der Konzern Paul Frère. Der gebürtige Franzose war der Autoonkel der Nation, eine Institution. Er erklärte dem deutschen Publikum mit langweilig-seriöser Tonlage im ZDF Telemotor (YouTube Video), wie ein Fahrzeug funktioniert.

Für die Derby Werbung konnte Frère aber ebenfalls nur mit Vernunft arbeiten.

Die Konstruktion sei modern, was man am Fahrverhalten und Fahrkomfort merke. 15,4 Sekunden von null auf 100 machen den Derby zu einem der lebendigsten kleinen Wagen, zehnmal abbremsen kann er und im Innenraum ist er ziemlich leise, erzählt Herr Frère, dem spätestens jetzt die Argumente und der Elan ausgehen.

Denn der Derby war in der Realität ein ziemlich liebloses Produkt, wie es dann entsteht, wenn zwei Unternehmen sich nur halbherzig kümmern.

Tatsächlich ist der Derby in Wirklichkeit ein Audi 50, den man auf VW Niveau abgereichert hat, um ihn auf Distanz zum Audi zu halten. Und da selbst der Audi kein Ausstattungswunder, sondern ein Dünnblech Produkt mit Holzfolie als Premium Nachweis im Innenraum, trifft das auf den Derby noch mehr zu. Der angeklebte Kofferraum machte die Konstruktion auch nicht besser und dass der Derby darin viele Säcke mit Kartoffeln und andere Agrarprodukte hätte transportieren können, interessiert nur die Käufer in tiefstem Südeuropa.

Der Derby gehört heute zu den vergessenen VW Modellen und sichtet man doch mal einen auf der Strasse, dann ist das schon Nostalgie pur. Aber die Begeisterung bleibt immer noch aus.

– Fortsetzung folgt –

16 thoughts on “Begeisterung für den VW Derby – das 110 % Vernunft Auto

  • Wenn man schon den Audi 50 als Ursprung des Derby/Polo erwähnt, sollte man auch dazu sagen, dass dessen Wurzeln nicht in Ingolstadt, sondern in Neckarsulm liegen. Eigentlich sollte das ein NSU K50 werden, der Nachfolger für den Prinz.
    Ein weiteres “Opfer” der Audi-NSU-Fusion neben dem K70 und dem Ro80, das nach einigem Hin & Her allerdings überlebt hat, da sich unterhalb des Golf eine Lücke im VW Modellprogramm fand, die VW wegen des Kleinwagentrends auch füllen wollte.

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  • Mein Bruder hatte Anfang der 80ziger einen silbernen Derby der damals immer Macken mit der Zündung hatte. Also Kerzen, Stecker, Kabel und Verteiler neu. Der Motor schnurrte wieder wie ein Kätzchen. Voller Freude fuhren wir den Wagen, der in einer Tiefgarage zwischen zwei Pfeilern geparkt war ins Freie. Zumindest wollten wir das und schafften ca. 2m bis der Derby mit der geöffneten Fahrertür am Pfeiler hängen blieb die Tür verbog und das Glas splitterte. Unvergesslich dieses Geräusch und unsere Gesichter. Zum Glück gab es damals schon Kiesow in Norderstedt, wo wir eine gebrauchte komplette Tür besorgen konnten.

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    Und wir nach dem Abi mit dem Derby in Olivgrün drei Wochen durch Europa zu dritt. Unvergesslich. Und danach die Bundeswehr.

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    Gut, dass es diese Sparte gibt. Der VW Derby holt verschüttete Erinnerungen zurück. In England sagt man zu dieser Gattung von Fahrzeugen ziemlich treffend “Tantchenauto”.

    Und das war er auch.

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    Ich erinnere mich noch recht gut an den Derby, meine Tante hatte einen in den 80ern, in entsetzlichem Olivgrün. Das war aber auch der einzige, den ich konkret “kannte”. Ich fand ihn nur entsetzlich spießig, öde und überflüssig – war halt der drangeklebte Kofferraum an den Polo, der ja eigentlich ein Audi 50 war.

    Welchen ich wiederum großartig und aufregend fand, durfte ich doch mit ihm (und meinem Freund und einem anderen Pärchen, Campingausrüstung und riesiger Gasflasche – wozu braucht man also einen zusätzlichen Kofferraum??) als 16-Jährige erstmals allein nach Südfrankreich in den Urlaub fahren.

    Genauso überflüssig, öde und spießig fand ich übrigens das Golf-Pendant, den Jetta. Davon gab es nach meiner Erinnerung auch mehr als vom Derby.

    Aber hätte man gewusst, dass es durchsichtige Schaltknäufe mit Blümchen drin gab (an die Tom sich noch 40 Jahre später erinnert!!), ja dann hätte man sich natürlich darum gerissen … 😉

    Erinnert sich eigentlich noch jemand an die Golfbälle als Schaltknäufe (ist das der korrekte Plural?) beim Golf? Die waren damals schwer begehrt und gehörten wohl zu einer teuren Sonderausstattung. So begehrt, dass mir jüngst eine nahestehende Person “gestand’, seinerzeit einen im Autohaus aus einem Neuwagen abgeschraubt und mitgenommen zu haben … ;-(

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      Das sind traumatische Jugenderinnerungen – die wird man nie mehr los. Ein Schaltknauf mit Blümchen. In der Konsequenz war ich nur ein mal mit meinem Großvater Auto kaufen, alle anderen Fehler machte ich allein.

      Golfball – na klar. Golf 3 GTI 16V mit so einem Schaltknauf. Daran erinnere ich mich schon. Den Wirbel konnte ich trotzdem nie nachvollziehen.

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      Das ist witzig. Meine erste Reise ohne Eltern (ebenfalls 16 Jahre alt), fand als Beifahrer in einem bereits erwähnten 60 PS Scirocco statt.

      Was man dem kleinen Derby wohl lassen muss, ist ein erstaunlich großer Kofferraum. Anders wäre ihre Reise zu viert mit Gasflasche wohl auch nicht möglich gewesen und auf Wikipedia steht, es hätten 8 Getränkekisten reingepasst. Das überrascht mich, sieht man ihm von außen nicht an.

      Mir kommt es ein wenig so vor, als hätte Volkswagen mitte der 1970er die Autos gebaut, die sich die Nation seit Mitte der 1950er von VW gewünscht hätte. Zum Beispiel endlich einen Kofferraum für das Camping südlich der Alpen 😉
      Ein echter und großer Kofferraum, anstatt luftgekühlter Heckmotoren …

      Was “die Nation” (der VW-Jünger) dabei vergisst (hunderttausende Teutonen sinken vor lauter Dankbarkeit auf die Knie), es gab da längst seit etlichen Jahren moderne und funktionale Autos anderer Herren Länder. VW hat damals echt das Kunststück vollbracht, trotz etlicher Versäumnisse und einer gewissen technischen Rückständigkeit, sich immer als irgenwie modern und zeitgemäß zu generieren.

      Ich denke, die deutsche Teilung hat da eine maßgebliche Rolle. Im inner-deutschen Vergleich konnte VW lange Jahre punkten. Das hat vielen Kunden gefallen und es hat von Mitbewerbern abgelenkt. Aber hier komme ich endgültig ins Schwafeln. Und dennoch, ich bin überzeugt, der Gedanke hat irgendwo einen gültigen Kern.

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        Die Reise fand im Audi 50 statt!! Wie gesagt, mit 2 Zelten, 4 Schlafsäcken, ein bisschen Geschirr, Dosenravioli usw., ein Teil davon allerdings auf dem Dachgepäckträger. Aber ich war die einzige unter 1,80 m und mein bäuerllich geprägter Freund hatte für den Campingkocher (!) vom Dorfschmied eine riesige rote Propangasflasche (!) ausgeliehen, die als Bombe auf meinem Koffer (!! – ich war halt reise- und campingunerfahren) im Kofferraum thronte – und auch wieder mit zurück musste.

        Gleichwohl haben wir auf dem Hinweg sogar zu viert im Audi 50 übernachtet, auf dem Rückweg hatten wir die Schnauze aber voll und haben uns eine Pension geleistet.

        Wie luxuriös waren hingegen die nächsten beiden Sommerurlaube, die ich mit 17 und 18 mit demselben Freund und demselben Audi 50 in Jugoslawien und an der Côte d’Azur genoss, allerdings nur zu zweit und ohne Gasflasche und Koffer, aber dafür mit Klappstühlen und -Tisch. Hach, welch ein Luxus! 🙂

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          Ich sehe es alles plastisch vor mir, danke für diesen Ausflug im doppelten Sinne

          Und….eine Parallelität sehe ich auch: wir sind vorgestern in Ju…Kroatien südlich von Split am Strand angekommen. Den 9-3 OG beladen mit zwei Sonnenliegen, einem Klapptisch, einem Sonnenschirm, einer Isolierbox und Gepäck für 14 Tage. Ohne Umklappen der Rücksitzlehnen.

          Und um nochmal auf den Derby zurückzukommen: den fand ich als Kind schon hässlich und unpraktisch. Angeklebter Kofferraum trifft es. Aber selbst den Corsa A gabe es ja in dieser Ausführung. Genauso hässlich.

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        Ja, stimmt, meine andere Tante hatte einen VW Variant – ein stinkendes, rumpelndes Ungetüm mit Heckmotor. Dagegen war der R4 meiner Mutter deutlich praktischer. Darin haben wir zB öfters 2 stehende (und blökende ;-)) Schafe transportiert. Die quasi nicht vorhandene Ladekante machte es möglich. Eine hohe Ladekante hatten hingegen Polo und Golf noch bis in die 90er (danach hatte ich nix mehr mit VW zu tun).

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          Wieder witzig. Ich habe auch einmal ein Schaf transportiert. Ein Dorfalki hatte sich ungebeten als Bauhelfer aufgedrängt und ließ sich partout nicht verscheuchen.

          Was er denn wolle? ‘Ne Pulle Schnaps! Kommt nicht in die Tüte. Was willst du sonst? ‘N Schaf.

          Was kostet ein Schaf und wo gibt’s eins? 50 Mark drei Dörfer weiter. Handschlag und los. Unvergesslich das Blöken im Volvo Kombi. Das Schaf hat bei jeder Bodenwelle kommentiert …
          Galt es der Starrachse oder dem Zustand vom Feldweg? Das weiß alleine das Schaf …

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    Ich hatte komplett vergessen, dass es den Derby gab …

    Dabei saß ich mind. einmal drin. Fiel mir aber erst lange nach dem Lesen wieder ein. Ein Kommilitone hatte einen der 1. Generation mit Chrome und schlanker Stoßstange – in kanarien-gelb sah der sogar ein wenig frech und sportlich aus. Der Kommilitone ein Überzeugungstäter und der Derby schon 13 oder 14 Jahre alt, angeblich 400.000 km gelaufen. Mich hat das zwar beeindruckt aber nicht angesteckt …

    Ich habe VW-Jünger immer mit einer gewissen Distanz studiert und war fasziniert von deren Faszination. Eine Faszination für Autos, die bei mir emotional rein gar nichts ausgelöst haben. Ein Derby? Ein tiefer gelegter und verspoilerter Golf I mit Breitreifen und Diesel? Ein Scirocco mit 60 PS? Ein lauter T3 mit Lufkühlung (!) eines Heckmotors im Windschatten? Und der gleichen mehr. All deren Besitzer haben mir ihre Autos damals immer mit glänzenden Augen erklärt und erwartungsfrohe Gesichter an mich als Beifahrer gerichtet. Das war schon echt faszinierend, hat mich aber auch immer wieder latent betreten in Verlegenheit gebracht …

    Es waren ja damals nicht etwa Oldtimer, deren einfältigem und an der Hinterachse ausschließlich mit der Trommel gebremsten Charme ich erliegen sollte. Nein, die besitzerstolze Erwartungshaltung war ja, dass ich diese Autos, “junge” gebrauchte, cool finden und Begeisterung teilen sollte. Ich fürchte, es ist mir kein einziges Mal gelungen, das überzeugend vorzutäuschen …

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      Geht mir genau so. Diese VW Leithammel Begeisterung kann ich bis heute nicht verstehen!

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    Es beruhigt mich, dass ich hier nicht der Einzige mit VW Derby Vergangenheit bin. Meiner war Weinrot-Metallic mit hellbraunen Stoffsitzen. Keine schlechte Kombi aber das rettet es auch nicht.
    Danach kam ein schwarzer Polo und dann ein schwarzer 900 Turbo 16S:-))

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      Das ist eine echt steile Karriere!

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    Ein himmelblauer VW Derby mit einem Schaltknauf mit Blümchen. Das ist einfach köstlich, mein Beileid, Tom!

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