SAAB Presse. Produktionsstart. Very light…indeed.
Die Schweden lieben Harmonie. Wenig angenehme Dinge werden gemieden, bis sich das Problem – so oder so – erledigt hat. Was aber auch nicht immer funktioniert… Das Svenska Dagbladet (SvD) beleuchtet in letzter Zeit die Zukunft der Autoindustrie in Schweden. Die Volvo-Perspektive wird kritisch hinterfragt. Aber nicht ohne – da ist man sehr schwedisch – auf kleinste Verbesserungen der Situation hinzuweisen. Gegenüber Saab war man auch in schwärzester Zeit immer fair, um jetzt der Marke einen sehr umfassenden Artikel zu widmen. Was dort vor etwas mehr als einer Woche zu lesen war, ist interessant. Allerdings nicht so, wie von uns erhofft.

Es geht in erster Linie um den Anlauf der Produktion, der den Medien für den Herbst angekündigt wurde. Dazu gab es einen Artikel mit der Headline “NEVS haucht (dem alten) Saab Leben ein”. Nach SvD Information wird Saab 2.0 mit einem sehr kleinen Produktionsteam starten. Die gut 100 Mitarbeiter, die in den letzten Wochen gesucht wurden, werden im Herbst mit dem Saab 9-3 Cabriolet beginnen, so SvD. Als Motorisierung scheiden GM Produkte aus, es werden nach Zeitungsinformationen Motoren von Fiat oder BMW oder aus einer chinesischen Quelle zum Einsatz kommen.
Der größte Teil der Produktion soll nach China gehen. Aber es soll die Möglichkeit geben, über frühere Saab Händler in Schweden Fahrzeuge zu beziehen. Die Stückzahlen werden überschaubar bleiben. Im Frühjahr 2014 kommt der erste Elektro-Saab, auch er basiert auf dem alten 9-3. Größere Probleme hatte NEVS laut SvD bei den Lieferanten. Viele Firmen wollen nicht zwischen Saab alt und Saab neu unterscheiden und taten sich mit den Lieferverträgen schwer. Sie sind immer noch durch die Ereignisse der Muller Ära “verbrannt”. Laut einer Zeitungsquelle soll das Zahlungsziel von Saab 2.0 bei nur 30 Tagen liegen, was für die Autobranche ein sehr kurzes Ziel ist.
Die mittelfristige Zukunft sieht man skeptisch. In Quindao – die Stadt ist mit 22 % an NEVS beteiligt – wird ein neues Werk in Form eines Joint Ventures entstehen welches jeweils zur Hälfte der Kommune und NEVS gehören wird. Der Prozess läuft, wird drei bis 5 Jahre dauern, und entsprechend werden sich die Schwerpunkte von Schweden nach China verlagern. Denn, so SvD, wer glaubt, daß Forschung und Entwicklung in Trollhättan bleiben, der irrt. Quingdao wird, auf Kosten des Standorts in Schweden, an Einfluss gewinnen. Die Finanzierung – fraglich. Der Businessplan – ebenso.
Denn entscheidend wird sein, auf einen positiven Cashflow mittels größerer Produktionsvolumina zu kommen. Wann das sein wird, konnte oder wollte Mattias Bergman von NEVS dem SvD nicht beantworten. So blieb dem Svenska Dagbladet im darauffolgenden Kommentar auch nur eines übrig: NEVS viel Glück zu wünschen.
Kommentator Nils-Olof Ollevik stellte fest, dass NEVS fast ein Jahr überlebt hat – ohne ein einziges Auto zu bauen. Er hofft, dass bei steigendem Umsatz viele Weitere folgen werden. Die Zukunft von NEVS liegt, so sieht er es, wenn alles gut geht, in China. Und sie hängt ab von viel, viel Geld. Gut 1.2 Milliarden Euro wird NEVS für die Saab Wiedergeburt in die Hände nehmen müssen. Eine Summe, die wohl zutrifft, denn wir haben Ähnliches aus anderen Quellen gehört. Aus schwedischer Sicht wird das Ergebnis unbefriedigend sein. Geht die Geschicht gut aus, ist es ein Erfolg für Quingdao. Scheitert die Sache, trifft es Trollhättan am Meisten.
Enttäuscht vom Artikel über den Produktionsstart? Bestimmt, denn irgendwie haben wir uns das dann doch mit etwas mehr Elan vorgestellt. Was nicht am SvD liegt. Die Zeitschrift ist konservativ – seriös, und was wir zu lesen bekommen, ist das Resultat von Recherche und öffentlich zugänglichen Fakten. Nicht mehr – nicht weniger. Ob alle Dinge so zutreffen werden, ist schwer zu sagen, aber der Artikel zeigt eine durch die Informationspolitk in Trollhättan geschaffene Situation. Immer nur zurückhaltend Andeutungen und kleine Wahrheiten zu präsentieren, ist nicht gut und kann das Gegenteil bewirken. Diese Fakten begeistern weder zukünftige Mitarbeiter noch potentielle Neuwagenkäufer.
Nur Monate, bevor man etwas verkaufen möchte, sollte Pressearbeit so nicht aussehen ! Wobei sich die Frage stellt, ob man etwas verkaufen möchte. Scheinbar setzt man mit vollem Ernst auf den Absatz als Dienstflotte bei Aktionär Quingdao. Was für ein Geschäftsmodell !
Ein anderes Problem kam bei SvD ebenfalls zur Sprache: die Suche nach einem neuen, dauerhaften CEO für NEVS. Bisher war man (scheinbar) erfolglos. Wen wundert es? Es kann, in diesem Fall, nur noch besser werden. NEVS hat es versäumt, in den vergangenen Monaten im Heimatland Schweden ein Image aufzubauen. Man hat eine große, europäische Traditionsmarke übernommen, verhält sich aber so, als ob man Nachbars Pommesbude gekauft hätte. Das kann nicht sein ! Eine Kampagne nach dem Motto “Wir sind da und bauen ab 2014 wieder tolle Autos” oder “Die Saab Story geht weiter – die Legende lebt” hätte geholfen. NEVS und die Marke wären sichtbar geblieben und jeder in Schweden hätte gewusst, wofür der Investor steht.
So ist nach einem guten Jahr NEVS das Profil weiterhin unklar. Im besten Fall geht man als chinesischer Investor mit unklaren Ambitionen durch. Die Quittung bekommen die Eigentümer jetzt präsentiert. Wichtige Stellen zum Produktionsstart werden zum dritten oder vierten Mal ausgeschrieben. Mittlerweile mit dem Vermerk “dringend”, was irgendwie flehend klingt. Wie attraktiv ist NEVS als Arbeitgeber? Die Abstimmung findet mit den Füßen statt, und das aktuelle Resultat ist eine klare Watschn (Hochdeutsch = Ohrfeige) für NEVS. Denn weniger Bewerber als erwartet finden ihren Weg zum Hauptportal in der Stallbacka. Man sollte in Trollhättan die Zeichen ernst nehmen und den Kurs justieren. Noch ist Zeit !
Text: tom@saabblog.net
Bild: Richard für saabblog.net
Vielen dabj für den Bericht , ich war in der letzten Zeit skeptisch betreffend dem Baubeginn im Herbst und
wurde nicht getäuscht. Es ist ja in Ordnung nur mit einem Modell anzufangen aber wer kauft sich ein Cabriolet im Herbst / Winter und dieses Auto als Geschäftswagen in China ??? Wo die doch eher einen 9 5 als einen 9 3
fahren würden , Elektro würde ich bei der chinesischen derzeitigen Autopolitik schon verstehen , aber den in Schweden produzieren und dann nach China importieren……. Ich muss mich wirklich langsam um einen
anderen Hersteller umsehen , bei SAAB sehe ich langsam schwarz
Hallo, jetzt muss ich doch mal länger ausholen.
Was meine Vorredner gesagt haben, sagt ja fast schon alles. Auch ich kann nicht nachvollziehen, wie man als Autobauer, der man ja nun sein will, mit seiner Öffentlichkeitsarbeit aber so was von daneben liegen kann. Das kann ja sogar Dacia besser.
Ich kann es auch bald nicht mehr hören: “so sind die Schweden nun mal…” Von einem auch hier bekannten angagierten Saab-Händler habe ich erfahren, dass es jetzt in Trollhättan eher nervig empfunden wird von Werkstätten um Hilfe gefragt zu werden, weil – es ist ja Mittsommer……. sind so die Schweden?????
Zum Festival:
– es steht ein Saab 92 – exakt wie im Museum- auf dem Straßenparkplatz… und …. nichts, sind so die Schweden?????
– Auf dem Museumsparkplatz steht ein Saab 9-5 mit 1Mill.74.000 Km…und …nichts,sind so die Schweden?????
– selbst das einzige Kaffe/Imbiss auf dem Festivalgelände macht eben am Samstag erst um 11:00 Uhr auf, weil das eben so ist, Festival hin oder her, sind so die Schweden?????
Die Aufzählung könnte weiter geführt werden……..
So gut die Autos sind, so … äh… anders ist wohl die schwedische Mentalität.
Aber ich glaube, genau so kann man kein neues Produkt am Markt plazieren.
Der größte Teil der Welt ist eben nicht so SAAB-VERRÜCKT wie wie hier. Dieses Klientel ist es gewöhnt umworben zu werden und dies mit riesigem Getöse.
Also,ich hoffe, die Schweden und Halbschweden wachen auf und zeigen auch, was sie eigentlich können.
Weil ich nicht so bald wieder vernünftige Autos erwarte, tausche ich meinen 9-5 SC gerade gegen einen neueren.
So, sind wir eben.
Schöne Grüße ausn Thüringen an alle.
Die haben den EV-1 ja auch nicht in die Serienproduktion gesteckt, WIE BLÖD – so sind die Schweden???!!!
Wenn nicht einmal mehr die Jobs in der Autofabrik von NEVS wieder neu besetzt werden können in Schweden, dann stimmt mich das schon nachdenklich. Ist halt zu viel Vertrauen verloren gegangen. Kein Wunder. Warten wir weiter ab und sind wir zuversichtlicher als offenbar die Menschen in Südschweden.
UNBESETZTE STELLEN?
Wie Tom schreibt, findet die Abstimmung mit den Füßen statt. Vor vielen Jahren schon durch Kunden, dann durch die Rabenmutter GM, in der VM-Ära durch Zulieferer, Banken und den Staat und nun wollen Menschen nichtmal für SAAB 2.0 arbeiten …
Diskussionen über positive und negative Sicht der Dinge bei SAAB gab es auf verschiedenen SAAB-Blogs während der letzten Jahre ja immer wieder. Mancher Verfasser eines Kommentars ist dort ob seiner Bedenken von anderen zu rosaroter Disziplin aufgerufen, teils regelrecht als Schwarzseher niedergemacht worden, dem gleich noch eine manische Depression unterstellt und eine Therapie empfohlen wurde.
Da kann man noch so viel Think-Pink-Disziplin heraufbeschwören, aber mit einem Nickerchen hinter einer rosaroten Brille wird man weder Vertrauen zurückgewinnen – sei es bei Zulieferern, Händlern oder potentiellen Mitarbeitern – noch Autos bauen. So lange das der Stand ist (keine Autos), braucht man über das Vertrauen von Kunden nichtmal zu reden.
Über diese Kleckertaktik eines vermeintlichen Großinvestors muss man sich schon sehr wundern. Die Stille in Sachen Öffentlichkeitsarbeit würde nur dann einen taktischen Sinn ergeben, wenn man bei NEVS genau wüsste, dass man sie mit einem echten Paukenschlag beenden und die Öffentlichkeit positiv überraschen könnte. Da kommt hoffentlich noch was von NEVS? Sonst war es das.
Mich würde ja mal ganz konkret interessieren, zu welchem Preis NEVS ein 9-3 CV in AERO Ausführung mit einem 2.0 Liter 4-Zylinder Benzin-Turbomotor und etwa 210-240 PS anbieten könnte. Und vielleicht bringt der Lieferantenwechsel ja auch hier und dort einen Qualitätsschub, ich denke hier besonders an die Kunststoffqualität (Materialanmutung, Haptik).
Für das 9-3CV mit konventionellem Antrieb sehe ich in Europa/USA jedenfalls einen gewissen Markt.
Mitnahmeeffekte lohnen sich ja auch nur, wenn man mit jedem Auto Geld verdient. Möglicherweise kann man mit Cabrios noch die besten Preise erzielen? Als Dienstwagen in China wohl eher ungeeignet.
Es könnte wirklich besser aussehen, aber andere Hersteller fangen ja auch erstmal mit nur einer Modellvariante an. Wäre auf jeden Fall anders als andere.
Danke für den Artikel, Tom! Ich denke, dieser öffnet die Augen für die Sichtweise der chinesischen Autobauer, womöglich auch von NEVS. CHINA steht im Absatzfokus! Der “Rest der Welt” ist womöglich “Hobby” oder netter Mitnahmeeffekt. Aber KEIN Schwerpunktmarkt. Das hat sicher Folgen. Welche, bleibt abzuwarten. Ich versuche weiterhin positiv zu denken. Die Anmerkungen von NICO sind ebenfalls die Realität….
Hinter die Kulissen kann auch der Reporter vom Svenska Dagbladet nicht gucken.
Man sollte die ungeschickte Art von NEVS, sich zu präsentieren, nicht unbedingt als Merkmal für künftiges Scheitern werten – aber eine Justierung insbesondere in Richtung gutes Marketing ist wohl jetzt tatsächlich vonnöten!!!!!!!!
Ich denke NEVS könnte, wenn man nur wollte. Aber Ziele und Ausrichtung sind unklar. Bleibt nur die Hoffnung dass alles besser wird als beschrieben.
Auf einem toten Pferd kann man nun mal nicht mehr reiten. So hart es auch klingen mag, aber ich glaube, dass SAAB 2.0 in Europa keine Rolle mehr spielen wird und chancenlos ist. Ausser sie bringen einen echten Knaller auf den Markt. Elektroautos sind einfach nicht gefragt. Das einzige Elektroauto was wirklich Sinn macht ist in meinen Augen derzeit der Elektro-Smart und das auch nur als CarSharing-Modell für Städte. Und ein paar 9-3 Cabrios mit BMW-, Fiat- oder China-Motoren zusammenzuhauen… Ich weiss nicht.
Wir können uns glücklich schätzen das wir unsere alten SAABs in der Garage stehen haben. Wirklich neue, innovative und skandinavische Autos mit dem SAAB-Spirit werden wohl leider keine mehr kommen. In China hat man nunmal ganz andere Vorstellungen von einem Auto als in Schweden.
Hierzu gibt es ein ganz bezeichnendes Zitat vom Aufsichtsratschef Volvo/Geely: “Volvo hat eine Schwäche, und die ist das Design. Es sieht zu skandinavisch aus.” Ich glaube das sagt viel aus über die Denkweise in China.
Ich denke man sollte die Situation nicht ganz so negativ sehen. In einer individuellen Nische hat Saab in Europa eine Chance – wenn die Eigentümer es wollen. Die Frage ist ob der Wille dazu besteht. In China wird man auch dann nur akzeptiert werden wenn man in Europa, speziell in Deutschland, langfristig Erfolg hat.
Top Artikel! Da hat das SvD die Situation zu fast 100 % getroffen. Aber vielleicht überrascht uns NEVS nach der Sommerpause 😉