Der Fiat Ritmo Super war ein italienischer Volkswagen

Einst sah man sie an jeder Ecke stehen, heute sind sie verschwunden. Autos, wie der Fiat Ritmo Super, hatten das Schicksal zu praktisch und gut durchdacht zu sein. Diese Autos fuhr man, gebrauchte und verbrauchte sie, liebte sie aber nicht. Denn da war noch der günstige Preis und die großzügigen Rabatte, die nicht gerade die Wertschätzung stärkten.

Und da war noch etwas anderes. Der Fiat Ritmo war generell zu pragmatisch gedacht, um Image zu haben. Die Schuld daran trugen die enormen Kunststoff Stoßfänger an Front und Heck. Sie prägten das Aussehen und standen von Anfang an in der Kritik. Dass sie Park-Rempler klaglos wegstecken konnten, die verletzlichen Blechflächen minimierten, geschenkt.

Das automobile Leben kann so ungerecht sein.

Fiat Ritmo Super (1982)
Fiat Ritmo Super (1982)

Der Fiat Ritmo Super – italienischer Volkswagen

Fiat baute den Ritmo von 1978 bis 88. Er war eine Weiterentwicklung des erfolgreichen Fiat 128 (Link), die Verwandtschaft war technischer, aber nicht optischer Natur. Beim Design gingen die Italiener neue, moderne Wege. Die dunkelgraue, nicht lackierte Stoßfängerverkleidung polarisierte. Der traditionelle Kühlergrill war dahinter verschwunden denn Designer Sergio Sartorelli zog den Kunststoff bis zwischen die Scheinwerfer hoch. Das war radikal und ungeheuer pragmatisch. Immerhin – Fremdberührungen mit bis zu 6 km/h überstand die Verkleidung problemlos.

Den Geschmack der Massen traf dieses Design nicht, Fiat verkaufte den Ritmo dennoch in großen Stückzahlen. 1,7 Millionen wurden es bis zur Produktionseinstellung. Die Preise waren attraktiv, bei der Ausstattung zeigte sich Turin sogar freigiebig und permanente Modellpflege hielt den italienischen Volkswagen attraktiv.

Drei Jahre nach dem Debüt kam es zu einer wichtigen Modellpflege, mit dem Ritmo Super platzierte Fiat ein weiteres Modell unterhalb des sportlichen 105 PS starken Ritmo TC. Die Ausstattung war verschwenderisch, in einer Werbeanzeige 1982 war eine ganze Seite nötig, um sämtliche Extras aufzuzählen. Eigentlich war alles an Bord, was beim Wolfsburger Marktbegleiter zusätzlich zu bezahlen war. Angefangen von getönten Scheiben, Velours-Polstern, Verbundglas Frontscheibe, großen Rädern mit 14 Zoll Umfang und Details wie einem beleuchteten Zündschloss war alles serienmäßig.

H4 Scheinwerfer und ein höhenverstellbares Lenkrad hatte der Fiat Ritmo Super ebenfalls, vermutlich war er 1982 der Preis-Leistungssieger in der Golfklasse.

Kompaktklasse mit super Ausstattung
Kompaktklasse mit super Ausstattung

Das Superding von Fiat

Der Hersteller sparte nicht mit Superlativen. Das Superding setze neue Maßstäbe in der Kompaktklasse textete die Agentur. Der neue Fiat Ritmo Super sei Teil der Fiat Offensive – doch ganz fair war die Werbung gegenüber dem potenziellen Kunden nicht.

Das Superding war bereits ein Auslaufmodell und nicht wirklich neu. Im Hintergrund stand schon das große Facelift bereit, welches Fiat im gleichen Jahr vorstellte. Es verzichtete auf die unkonventionellen, großen Verkleidungen an Front und Heck und setzte wieder auf einen herkömmlichen Kühlergrill und konventionell designte Stoßfänger.

Der neue Ritmo verlor sein einzigartiges Aussehen, wurde kompatibel zum Massengeschmack, und wer noch das alte Modell gekauft hatte, der musste hohe Wertverluste akzeptieren.

Das Superding hat Ausstattung ohne Ende!
Das Superding hat Ausstattung ohne Ende!

Der Ur-Ritmo ist heute eine Ikone

Der Ritmo mit den ikonischen Stoßfängern hielt sich noch lange auf den Straßen. Seine Herstellung im Werk Cassino (Link) wurde von Robotern erledigt, Fiat war zu dieser Zeit produktionstechnisch führend und die Qualität war um einiges besser als die öffentliche Meinung darüber.

Sogar 30 Jahre nach Produktionsende konnte man in Italien Ritmo der ersten Serie sehen. Mit ausgeblichenen Kunststoff-Schürzen, jetzt hellgrau und mit Rissen an Front und Heck, von der Sonne gezeichneten Lack und einfach ungeliebt.

Heute ist der Ritmo vergessen und verschwunden. Auf den großen Verkaufsportalen finden sich europaweit nicht mehr als ein Dutzend Exemplare mit dem ikonischen Design. Dann aber zu gesalzenen Preisen. Was einst unbeliebt war, ist heute in gewissen Kreisen richtig gefragt.

4 thoughts on “Der Fiat Ritmo Super war ein italienischer Volkswagen

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    Das Design hat mich schon früh begeistert,… auf einmal war er weg!

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    Ah, der 105 TC. Das erste Westauto meines Bruders. Kaum gekauft, fuhren wir damit von Deutschland nach Sizilien. Eine unvergessliche Reise. Und ein unvergessliches Auto. Schwarz mit beigem Velours. Wie Tom bereits erwähnte, der Ausstattung war damals nichts hinzuzufügen. Fiat konnte damals einfach Großartiges. Gerade ein wenig die Verkaufsportale durchstöbert. Stolze Preise werden für den Ritmo aufgerufen. Noch verrückter ist es beim Ur-Panda. Gemessen an den damaligen Neupreisen ist bei unseren Saabs noch viel Luft nach oben.

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    Davon gab es auch mal eine heiße Abarth Version! FIAT baute einst tolle Autos!

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    Den hatte ich komplett vergessen.
    Ist schon schick in diesem blau innen und außen. Front und Türgriffe sind witzig. Schön, dass die verbliebenen Exemplare offenbar ihre Fans haben. Wäre sonst schade.

    Dank für diese Retrospektive. Macht immer wieder Spaß, hier alte Kisten neu zu entdecken. Schade, dass man sie selten bis gar nicht mehr auf den Straßen trifft …

    In S traf ich 1990 auf einen PV 444A noch mit Winkern. Zwei ältere Damen stiegen mit leeren Einkaufstaschen aus. Dieser Ur-Buckel hat sich tatsächlich mind. 40 Jahre im Alltag gehalten – in liebevollem Erstbesitz. Eine rührende Begegnung.

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