Visionäres Raumschiff das Maßstäbe setzte – Citroën DS20 Break
Man könnte meinen, ich sei in meiner Kindheit von Citroën DS umzingelt gewesen. Da war die DS des Nachbarn, die mit den roten Sitzen. Damit begann alles. Und Citroën verstand es, nachzulegen. Um den Doppelwinkel-Effekt zu verstärken, gab es noch eine DS20 Break. Ein visionäres Raumschiff, mit viel Raum für Kinder. Und einer futuristischen Technik. Die zelebrierte die DS in der Nacht. In der tiefsten Dunkelheit der südbayerischen Alpen.

Es muss um die Mitte der 1970-er Jahre gewesen sein, damals gab es im Süden Bayern längst nicht an jeder Milchkanne eine Straßenlaterne. So wie es kein Internet an den wenigen heute noch vorhanden Kannen gibt, dafür aber die großartigste Straßenbeleuchtung im allerkleinsten Ort. Die es demnächst auch nicht mehr geben könnte, so wie sich die Dinge entwickeln.
Die Nacht jedenfalls war dunkel, so wie Nächte früher waren, und eine DS20 Break, voll beladen mit Kindern machte sich auf den Weg zurück ins Ferienhotel. Der Citroën gehörte einer Urlaubsbekanntschaft und war, aufgrund seiner Raumschiffsgröße, das Transportmittel der ersten Wahl für eine Meute Kinder.

Schon die versenkbaren Sitze im Kofferraum machten Eindruck. Hatte man so etwas schon zuvor gesehen? Hatte man nicht. Die Ford, Mercedes und Opel unserer Väter konnten da nicht mithalten. Die DS gleitet also durch die tiefdunkle bayerische Nacht, die Straßen sind eng, schmal, kurvenreich und nicht ausgeleuchtet.
Sensation, die DS leuchtet die Kurven aus! Der Fahrer dreht am Lenkrad, der Lichtkegel folgt, ein halbes Dutzend Kinder sind platt. Stille im Auto – und andächtig vor so viel Technik wird das “adaptive” Kurvenlicht verfolgt. Die DS schwebt, sie leuchtet in Kurven, aber sie kann noch mehr. Der Bahnübergang vor der nächsten Ortschaft hat es in sich. Er ist eine Kuppe, die man mit einem BMW sportlich überfliegt. Die jungen Einheimischen tun das. Oder wie unsere Väter mit der Familienkutsche vorsichtig überquert.

Die DS fliegt – aber nicht so wie ein BMW. Sie setzt über, mit Eleganz und Lässigkeit, und der Lichtkegel der Scheinwerfer bohrt sich nicht nach oben in den Himmel. Die Lichtkegel halten stoisch Niveau. Warum es sich so verhält ist, ist nicht erklärbar. Das mit den mitlenkenden Scheinwerfern haben wir Kinder damals verstanden. Dass eine DS von Natur aus schwebt, weil sie es eben kann, das auch. Aber die Niveauregulierung der Scheinwerfer, die durch die Ventile der Hydropneumatik gesteuert wird, das ist damals jenseits jeder Begrifflichkeit.
Vermutlich für den Fahrer, der einen finanztechnischen Beruf hatte, genauso wie für uns Kinder.
Die Fahrt durch die Nacht verstärkte meine Citroën Affinität weiter und hinterließ bis heute Spuren. Als Saab, nur 51 Jahre nach Citroën, das adaptive Kurvenlicht im 9-3 einführte, holte die Erinnerung wieder die Fahrt durch die Nacht aus dem Backup Bereich der Kindheit hervor.
Ich bin mir heute nicht mehr sicher, ob es eine DS20 Break oder eine viel seltenere DS23 war. Es spielt auch keine Rolle. Es geht um die DS Break, dieses gallische Raumschiff an sich.
In Schweden ist nun eine DS20 Break aufgetaucht, die diese Erinnerungen erneut ausgräbt. Eine DS mit dokumentierter Kiruna- und Film Vergangenheit.

Sie ist so unglaublich fein patiniert, Baujahr 1973, und eines jener Autos, wo man sagen muss, man darf es auf keinen Fall komplett restaurieren. Technisch fit halten, es gegen den bösen Rost verteidigen, aber sonst bitte die Spuren des Alltags von fast 50 Jahren nicht auslöschen. Denn man würde der DS ihre Seele und Geschichte rauben.
Dazu muss man sagen, dass die DS bereits einmal neu lackiert wurde, die letzten Jahre nicht im Winter durch Schweden fuhr, und auch sonst gut behandelt wurde. Der Besitzer verkauft mit Bedauern und der Erkenntnis, dass nichts ewig ist. Und dass ein Porsche 911 SC von 1981 als guter Verkaufsgrund zumindest akzeptabel ist.
Die Auktion der DS in Schweden beginnt am 11. August. Es gibt nicht mehr viele dieser visionären Raumschiffe, die Zeit hat viele davon ins Jenseits befördert. Nicht nur um kindliche oder jugendliche Erinnerungen abzuarbeiten, könnte diese DS20 Break eine gute Ergänzung des persönlichen Fuhrparks sein. Die Faszination von einst strahlt sie immer noch aus.
Mit Bildmaterial von Bilweb
….meine kindheit….eine gelbe ds von matchbox.
hab ich nie vergessen und deshalb mir eine unbehandelte d soziale angeschafft fuer den alltag und reisen ( im winter muessen die alten 900er herhalten).
goettlich…….
also, falls Tom mal eine 73er in echt antesten will.
Das klingt verlockend! Antesten bitte, ja! Vielleicht im Herbst, ich komme darauf zurück.
…ok….
Sternstunde
Das ist der Asterix & Obelix des europäischen Automobibaus für mich. Toll geschrieben, Tom!
Die DS Break ist so praktisch wie ein Hinkelsteinlieferant und so intelligent wie dessen kleiner Freund. Der Hammer ist, dass alle im Artikel beschriebenen Lösungen mit rein mechanischen Mitteln umgesetzt wurden und heute dennoch noch immer futuristisch wirken.
Die biaxiale Kopplung des Lichts mit einem adaptiven Fahrwerk und der Lenkung ist noch immer ein kleines technisches Wunder und ein rein analoges Meisterwerk. Einfach herrlich und noch immer unbegreiflich, was da alles wie von Geisterhand passiert ist …
Man muss sich erinnern. Fahrer dt. oder schwedischer Autos mussten damals die Motorhaube öffnen und die Scheinwerfer nach Gutdünken jedesmal neu einstellen, wenn sie Gepäck ein- oder ausgeladen haben. Viele waren zu faul oder wussten nicht, wie es geht. Oder sie hatten bei Antritt der Fahrt gar nicht die Möglichkeit, weil es noch zu hell war, um Scheinwerfer einzustellen.
Das hatte regelrechte Blendduelle auf engen dunklen Landstraßen zur Folge, die vermutlich auch ein paar Unfälle verursacht haben. Es war nicht unüblich, entgegenkommende Fahrzeuge mit der Lichthupe darum zu bitten, abzublenden. Dabei war es schwierig, zwischen falsch eingestellten Scheinwerfern und Fernlicht zu unterscheiden. Und so mancher Fahrer, der anderen blendend entgegen kam, war nicht Willens, die Lichthupe als freundlichen Hinweis, als konstruktive Kritik zu verstehen. Die haben dann, obwohl sie bereits geblendet haben, zur Antwort ihr Fernlicht eingeschaltet. Das sollte wohl heißen, Ey du Idiot, das war nur mein Abblendlicht, das dich geblendet hat (weil ich es nicht neu einstelle, nur weil mein Kofferraum heute voll ist). Wenn du es so willst, ich kann dich noch ganz anders blenden. Hier hast du mein Fernlicht …
Das war teils echt kriminell und saugefährlich. Ist heute zum Glück kein Thema mehr. Citroën hatte das aber schon ein paar Dekaden zuvor gelöst und ohne dass es von einem Gesetzgeber gefordert worden wäre. Erst für Xenon wurden Vorschriften erlassen, dass sich die Scheinwerfer automatisch regulieren müssten und ansonsten eine Gefahr darstellen würden. Das wurde dann aber mit Sensoren und Stellmotoren, Kabeln und Computern gelöst. Noch heute haben die wenigsten Autos ein echtes Kurvenlicht. Stattdessen schalten sie mal links, mal rechts einen Nebelscheinwerfer zu, was mich total irritiert. Ist da ein Scheinwerfer kaputt, oder warum leuchten da drei statt vier?
Wenn Nebelscheinwerfer die Ausleuchtung verbessern, ohne zu blenden, warum sind sie nicht einfach immer beide an?
Was die DS damals so rein analog und mechanisch alles geleistet hat, ist noch immer Zukunftsmusik. Und sie ist ja nicht erst vor rund 50 Jahren konstruiert worden. Nein, die Konstruktion ist fast 70 Jahre alt. Bei all meiner Vorliebe für schwedische Autos, aber eine DS ist einfach ein Hammer und immer eine Ikone – als Limousine, Break oder Cabrio …
100 % Zustimmung!
das Auktionshaus hat noch mehr Bilder online, die DS ist so richtig schön patiniert. Hier wäre eine Komplettrestauration wirklich ein Sakrileg. Hoffentlich wird das nicht passieren.
Ich habe mir gerade mal die Preise für gute DS reingezogen… Richtig teuer sind die geworden. Ein paar leckere DS gibt es auch in Deutschland. Allerdings sind die Break Modelle echt rar.
Die DS ist auch heute noch ein Besucher, wie aus einer anderen Galaxie. Sie fällt im Straßenbild positiv auf und ist eine Design-Ikone. Ich finde das genial, dass die Blog Redaktion den Blick auf solche besonderen Autos wagt.
Chapeau!