555.000 Kilometer in einem Saab 900 Turbo

Ein Saab ist – ja was eigentlich? Ein Liebhaberstück, ein Werkzeug zur täglichen Nutzung? Ein Langzeitauto? Die 900 Turbo Limousine von Dietmar war schon einmal zu Gast auf dem Blog. Heute ist sie es wieder, mit einem hohen Kilometerstand, den sie sich in 31 Jahren wirklich erarbeitet hat. Wobei das mit dem Kilometerstand so eine Sache wäre. Dazu aber später mehr.

Fast 31 Jahre alt. Der Saab 900 Turbo von Dietmar.
Fast 31 Jahre alt. Der Saab 900 Turbo von Dietmar.

Erstzulassung des Saab 900 war der März 1989. Lange her, Deutschland war noch nicht wiedervereint, die Mauer stand noch und die Warschauer Pakt-Staaten wurden als eine Bedrohung des Westens gesehen. Das, was wir heute Smartphone nennen, war noch nicht erfunden. Mobile Telefone waren noch teure, schwere, grobe Klötze und konnten wirklich nur eines gut: Telefonieren. Der 900 Turbo galt zu dieser Zeit als eine schnelle, kostspielige und exklusive Limousine. Wer sich ein Exemplar leisten konnte, der war sich eines gediegenen Kontostands sicher.

20 Jahre wurde der 900 von Dietmar als Firmen- und Privatwagen genutzt. Planmäßige Inspektionen nach Serviceheft wurden bis Kilometerstand 200.000 durchgeführt, dann nur noch regelmäßiger Ölwechsel und anfallende Reparaturen. In 31 Jahren wurde einmal der Motor abgedichtet und die Steuerkette gewechselt. Weiter stehen auf der Liste mittlerweile zwei Wasserkühler, fünf Lenkgetriebe, wobei eines davon aufgearbeitet war und nach kurzer Zeit defekt wurde. Auch das Motorsteuergerät wurde einmal repariert, ebenso musste auch der Dachhimmel erneuert werden. Eines der Probleme, die man mit manchen schwedischen Autos so alle 20 – 25 Jahre schon mal haben kann.

555.000 Kilometer – so ungefähr

Besonders gepflegt oder geschont wurde der Saab nicht. Fast 31 Jahre, das nagt auch am dicksten Schwedenstahl. Vor allem dann, wenn der Wagen nicht nur Liebhaberstück, sondern auch ein tägliches Multitool ist. Der 900 ist seit mehr als drei Jahrzehnten eingefleischter Laternenparker. Das hinterlässt Spuren. Der Unterboden wurde an einigen Stellen im Laufe der Jahre geschweißt, auch ein Achswellentunnel war fällig. Die Türen, eine bekannte Baustelle des 900, neigen zum Rost. Das Öffnen nach der Waschstraße und einer Regenfahrt hilft – damit das Wasser ablaufen kann. Aber wer denkt schon immer daran? Dietmar hält den Rostfraß durch den Einsatz mit Fluidöl in Schach.

Der Kilometerzähler streikt seit mehr als 10 Jahren, die Laufleistung ist geschätzt.
Der Kilometerzähler streikt seit mehr als 10 Jahren, die Laufleistung ist geschätzt.

Mittlerweile blättert auch der Lack, nach 3 Jahrzehnten ohne Garage keine Überraschung. Im Detail ist es der Klarlack, der sich an allen horizontalen Flächen abzulösen beginnt. Kofferraum, Dach und Motorhaube wären ein Fall für den Lackierer, wenn man es möchte. Im Moment trägt der 900 Turbo seine Narben noch mit Stolz. Bei Saab Frankfurt, wo er sich in fachgerechter Betreuung befindet, schätzt man den Aufwand zur großen Rundumerneuerung auf rund 10.000 €. Viel Geld, dessen Einsatz man sich wohl überlegen muss.

Und da wäre noch das kleine Detail mit dem Kilometerstand. Der Zähler beendete bei 405.200 Kilometern seinen Dienst. Das war zum Jahresende 2009 und ein Ersatz nicht nötig. Denn ein Verkauf der schwedischen Turbo Limousine stand bis jetzt nicht zur Debatte. Dietmar schätzt seitdem seine jährliche Fahrleistung zwischen 10 – 15.000 Kilometern, womit die tatsächliche Laufleistung zwischen 505 – 555.000 liegen könnte. Vielleicht auch mehr. Wen interessiert das schon, wenn das Auto seit 3 Jahrzehnten ein nachhaltiger Begleiter ist und eine Trennung nicht im Raum steht.

Wir suchen weitere Kilometerkönige!

Das Umgehen mit höheren Kilometerständen und der Gedanke der Nachhaltigkeit wird einer unserer Schwerpunkte für die Zukunft sein. Wir werden uns damit anfreunden müssen, wollen wir weiter Saab fahren.

Haben auch Sie einen Saab mit einer hohen Laufleistung oder sehr langer Haltedauer? Es muss nicht jeweils der höchste Kilometerstand sein! Für uns zählen neben dem Alter des Fahrzeugs auch die gelebte Nachhaltigkeit. Alle Besitzer von Kilometerkönigen, die ihr Auto auf dem Blog sehen möchten, sind eingeladen, Bilder und Informationen zu schicken.

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Dietmar Erhard
Dietmar Erhard
4 Jahre zuvor

Lieber Saab-Freund,
danke für deinen interessanten Kommentar und dein Mitgefühl, das mich rührt.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Laternenparken nicht unbedingt die
schlechteste Art ein Auto lange auf der Straße zu halten. Eine gut belüftete
Tiefgarage wäre zweifelsohne besser, jedoch ein nasses, evt. mit Schneematsch
behaftetes Auto in eine kleine, schlecht belüftete Box ( Garage ) zu stecken
sicherlich schlechter. Mein Saab-Kollege und Freund hat diese Erfahrung mit
seinem Saab 900 Cabriolet gemacht.
Ein Carport und Saisonkennzeichen wäre sicherlich die beste Lösung ein Auto
zu konservieren, aber da steht schon mein T3-Bulli Westfalia mit 37 Jahren
rostfrei wie am ersten Tag. Viel Spaß mit deinen/m Saab/s.

Reinhard Mann
Reinhard Mann
4 Jahre zuvor

Diese Kilometerkönige machen mir Hoffnung! Schließlich hat mein 9-5 Kombi “erst” 275000 km runter und wenn es nach mir geht, kommen da noch 100000 km zu (ich klopf auf Holz!).
Wunderbare Geschichten bisher. Bitte weiter so!

Ebasli
Ebasli
4 Jahre zuvor

Tolle Geschichte und ein nachdrücklicher Beweis für die unfassbare Qualität des Saab 900 von 1989! Seit über 30 Jahren Laternenparker!

Das nenne ich Nachhaltigkeit! Wieviele Neuwagen hätten in dieser Zeit kommen und schon in die Schrottpresse gehen können, hätte sich der Besitzer von den staatlichen Anreizen wie Dienstwagenabschreibung, 2x Verschrottungsprämie, Elektroprämie etc. verdummen lassen und damit dem Klima nur geschadet, aber der Autoindustrie genutzt.

Was mir allerdings etwas “im Herzen wehtut”: Könnte man dem treuen Freund jetzt, zu Beginn der zweiten “Lebenshälfte”, nicht vielleicht doch ein Garagenplätzchen gönnen? Dann würde es vielleicht doch erst der Beginn des zweiten Lebensdrittels (oder -viertels)! 😉

Ken-Daniel S
Ken-Daniel S
4 Jahre zuvor

Toll, dass das Auto weiterhin so genutzt wird

Herbert Hürsch
Herbert Hürsch
4 Jahre zuvor

Kaiser

Ich finde das total genial und unendlich symphatisch. Die Skandinavien-Reisen meiner Kindheit und Jugend waren auch immer Zeitreisen …

Ein- oder zweimal jährlich aus D kommend, faszinierten mich die gepflegten Häuser, Automobile, Schiffe und Boote vor allem wegen ihrer Authentizität.

Damals (1970er, 80er und 90er) bekam ich dort nicht nur schwedische, britische und amerikanische Autos zu Gesicht, die mir in der Heimat verwehrt wurden, sondern sage und schreibe auch Volkswagen, NSU & Audis, die bei uns schon wieder das Zeitliche gesegnet hatten …

Ein schwedischer Kilometerkaiser im Jahre 2020 auf dt. Straßen ist vor diesem Hintergrund wie eine Blaue Mauritius in einer Briefmarkensammlung in einem namenlosen Dorf auf Bornholm. Es ist ganz großes Kino.

Es ist in jedem Fall ein eindrückliches Zeugnis wider die Wegwerfgesellschaft …