Saab Krise: Schwedische Berg- und Talfahrt
Von wegen besinnliche Vorweihnachtszeit… nein, nicht für uns, nicht für die leidgeprüften Saab Fans ! Halten wir kurz mal inne und holen wir Luft. Die Ereignisse der letzten Tage haben unser Nervenkostüm strapaziert, und auch die nächsten 72 Stunden versprechen nicht viel ruhiger zu werden. Was geht ab in Schweden ?
Die Lage hat, so würde ich sagen, längst eine eigene Dynamik entwickelt, die alle Teilnehmer überrollt hat. Vor ein paar Monaten war die Lage relativ klar. Auf der einen Seite ein krisengeplagter Traditionshersteller, der letzte Europäer, der käuflich zu erwerben ist. Auf der anderen Seite Pang Da, der größte Autohändler der Welt, und Youngman als industrieller Partner.
Mittlerweile ist Pang Da aus vielerlei Gründen einen Schritt zurückgetreten. Im Fokus steht jetzt ein Autohersteller ohne Produktion, aber mit vollzähliger Produktionscrew und ein chinesischer Investor. Zwischendrin steht Victor Muller.
Nach Monaten der Krise ist der Saab Kauf nicht mehr mit rein rationalen Argumenten zu belegen. Für alle Beteiligten geht es jetzt auch und vor allem um das Prestige. Oder darum, das Gesicht zu wahren.
Nehmen wir Saab Partner Youngman. Die Chinesen haben einen guten dreistelligen Millionenbetrag mittlerweile in Saab investiert, ohne dass ein einziges Auto gebaut wurde. Für Youngman, in diesem Fall steht Youngman für die Volksrepublik China, wäre ein Ausstieg fatal. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf und man sein Gesicht nicht verlieren will, wird man an Saab festhalten. Natürlich geschieht alles, was man in Stockholm verhandelt, alles was man investiert, mit dem stillen Wohlwollen und unter dem Blick der mächtigen NDRC.
Ohne deren Billigung hätte Rachel Pang schon längst die Koffer gepackt und wäre zurück nach Peking geflogen. Saab ist der Fisch an der Angel von Rachel Pang, und wenn ich einen Ratschlag habe, dann sollte man den Fisch schnellstens an Land bringen. Denn dicke Fische wecken Begehrlichkeiten anderer Angler.
Das ist der Schwachpunkt unserer Freunde aus China. Flott scheint bei einer großen, kommunistisch-kapitalistischen Mammutbehörde nicht zu gehen. Bevor man endgültig seine Unterschrift unter die Verträge setzt, möchte die Behörde entscheiden. Dabei vergisst man offenbar, dass in Schweden die bürokratischen Mühlen mit höherer Drehzahl mahlen als die langsamen Dinosaurier im Reich der Mitte. Erhöht man nicht die Frequenz dramatisch, steht man am Ende in Peking mit leeren Händen da.
Am Donnerstag ist die Anhörung des Gerichts in Vänersborg. Victor Muller und Rachel Pang haben die Möglichkeit, dem Gericht ihre Standpunkte darzulegen und um einen neuen Administrator und eine Weiterführung der Rekonstruktion zu bitten. Wie das Gericht entscheiden wird ist unsicher. Muller sagte heute, dass die Löhne auch am Mittwoch nicht in Sicht seien. Keine guten Voraussetzungen, um das Gericht milde zu stimmen.
Die letzten Monate der Rekonstruktion haben Saab leider nicht vorangebracht. Ob es mit einem anderen Adminstrator besser gelaufen wäre, das ist eine theoretische Frage. Vielleicht wird das Gericht keiner weiteren Verlängerung zustimmen. Die Entscheidung darüber würde vermutlich erst in der nächsten Woche fallen.
Dann wäre kurz vor Weihnachten eine Insolvenz angesagt, was aber nicht das Ende sein wird. Wie schon oft geschrieben, es gibt Investoren und die dritte Partei, die Saab aus einem Konkurs kaufen würden. So ist das mit den dicken Fischen. Wartet man zu lange, gehen sie Rachel Pang von der Angel.
Nichts für schwache Nerven und eigentlich nichts für die Vorweihnachtszeit. Weihnachten 2011 ist Drama und Spannung pur. Vielleicht könnte dann 2012 besinnlicher werden, mit einem neuen Saab im Carport.
Text: tom@saabblog.net
Cash drain geht täglich weiter und Produktion steht still. Dann wurden GM Vertrags-Klauseln übersehen. Was kann man dazu sagen????? Gebt Saab in neue Hände.
Mich würde doch mittlerweile brennend interessieren, wer diese ominöse dritte Partei ist.
Wird es in der SAAB-Kantine demnächst Froschschenkel geben, oder Haxen?
Gut recherchiert, leicht verständlich geschrieben, es ist immer wieder eine Freude Deine Beiträge zu lesen. Vielleicht entsteht daraus ja mal ein Wirtschaftskrimi.
Bis dahin wünsche ich Dir und allen Saab-Freunden ein besinnliches und frohes Weihnachtsfest. Im neuen Jahr wird hoffentlich alles besser.
Gruß
Dieter