Zeitzeugen erzählen Geschichte. Saab – WE did it!

Nachdem das erste Buch über die Ära Gunnar Ljungström bei Saab schnell vergriffen war, haben sich die Autoren an ein weiteres Werk gewagt. Unter dem Titel “SAAB – WE dit it” beleuchten Gunnar Larsson und Gunnar Johansson ein zweites Mal die Ljungström Zeit.

Saab - we did it. Neues Saab Buch
Saab – we did it. Neues Saab Buch

Dieses Mal liegt der Schwerpunkt auf den Menschen, die mit Gunnar Ljungström gemeinsam Saab als Autohersteller auf den Weg brachten. Das neue Buch ist weniger ein Erzählwerk mit kleinen Episoden rund um die Marke. Es ist eine Dokumentation gegen das Vergessen, denn die erste Generation von Saab Ingenieuren lebt nicht mehr unter uns.

Zeitzeugen erzählen wie alles begann

Aber es gibt immer noch Zeitzeugen, die als junge Menschen mit Ljungström und seiner Mannschaft arbeiteten. Ihre Eindrücke, persönliche Erinnerungen und das, was wir heute als Insiderwissen bezeichnen würden, machen das Buch stark. Dazu kommen Bilder aus schwedischen Privatarchiven, die noch nie zuvor einer breiten Öffentlichkeit zugänglich waren.

Was will das Buch erzählen? Die Hauptfigur ist Gunnar Ljungström. Sein Leben, seine Herkunft und sein familiärer Hintergrund nehmen einen großen Teil des Buches ein. Mit den Jahren verliert sich die Person Ljungström ein wenig, dafür treten andere Akteure mehr in das Rampenlicht. Svante Holm, Ragnar Wahrgren, Sven Otterbeck, Hugo Möller, Tryvge Holm oder Karl Erik Sixten Andersson, den jeder als Sixten Sason kennt. Sie, und viele andere Persönlichkeiten, finden ihre Würdigung in mehr oder minder ausführlichen Kapiteln.

Neben den Menschen, deren Leistung gewürdigt wird, spielt auch die Entstehungsgeschichte von Saab und der Einfluß mächtiger schwedischer Familien eine Rolle. Der Übergang vom Flugzeugbauer zum Autohersteller, die Grenzen,  die immer fließend waren. Ingenieure, die heute noch ein Flugzeug entwickelten, fanden am nächsten Tag ein Angebot vor, an einem Projekt der Auto-Division mitzuwirken. Und umgekehrt.

Die Saat des Scheiterns

Als kritischer Leser bemerkt man auch, dass bereits in der Ära Ljungström die Saat für das Scheitern gelegt wurde. Zu klein, zu wenig Expansion, zu viel Nüchternheit im Hintergrund. Das zieht sich durch die frühe Saab Geschichte und findet einen ersten Höhepunkt mit dem 99. Das erste wirklich neue Fahrzeug seit dem 92, und bereits eine Überforderung für den kleinen Hersteller.

Die 99 Geschichte geht fast schief, das Auto ist nicht wirklich ausgereift, als es auf den Markt kommt, und der Motor bereitet ernstlich Schwierigkeiten. Doch Saab löst alle Probleme, gerade noch so, und es geht weiter bis zum fabelhaften 900, der ein Derivat des 99 ist. Dann beginnen die Probleme von vorne, werden mit dem grandiosen 9000 gelöst, und enden schließlich bei GM. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Nach der Lektüre denkt man nach über die Person Ljungström – der Saab gut und überlegt geführt hat. Der aber, nach eigener Aussage, keine Autoleidenschaft hegte. Vielleicht, so überlegt man dann, wären mit etwas mehr Leidenschaft im Hintergrund die Dinge anders gelaufen. Was wäre gewesen, wenn da mehr gewesen wäre? So wie bei anderen, großen Marken?

Ein Denkmal für die Pioniere

Sollte man das Buch kaufen? Wie geschrieben, es ist kein Erzählwerk mit kleinen Episoden. Sondern eine Biografie für Ljungström und seine Männer, denen Gunnar Larsson und Gunnar Johansson ein Denkmal gesetzt haben. Die Frühgeschichte der Marke, die Entwicklung Trollhättans, das Aufräumen mit manchen Mythen und die Befragung von hochbetagten Zeitzeugen, das alles macht das Werk zu etwas ganz Besonderem.

Misst man es mit den üblichen Maßstäben, dann wird man Einiges bemängeln. Man hätte Vieles besser in Szene setzen und es hochwertiger ausstatten können. Das Thema alleine hätte es verdient. Aber, es ist kein normales Buch. Es wurde geschrieben und finanziert von Menschen, die mit sehr viel automobilem Sachverstand und Zuneigung zur Marke an das Werk gegangen sind. Hinter dem Werk steht kein Verlag, denn das Saab Car Museum und die Support-Organisation haben es realisiert. Allein das verdient Hochachtung, vor allem aber auch die Tatsache, dass es auf Englisch erschienen und damit einem internationalen Leserkreis zugänglich ist.

Daher: Daumen hoch, das Buch muss in jedes Saab-Bücherregal. Es kann über den Museumsshop bestellt oder beim Besuch in Trollhättan abgeholt werden.

7 thoughts on “Zeitzeugen erzählen Geschichte. Saab – WE did it!

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    Ich glaub ich werde einen Freund bitten, dass er mir das Buch besorgt, wenn er beim Saab Festival ist

  • Richtig lesenswert. Tom hat Recht: es muss bei jedem Saab Fan im Regal stehen. Ich Weiss auch das es Kontakten gegeben hat zwischen die Familien Walenberg und Volvo aber leider ist daraus nichts geworden. Aber das Saab an GM verkauft wuerde weiss jeder; das war die groeste Fehler und eigentlich den Vorbote des Ende von Saab. Leider wird ueber die Gespraeche zwischen Saab und Volvo im Buch nichts gesagt.

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    Schon was dran. Man muss nur an das ewige Festhalten am Zweitakter denken. Das hätte SAAB damals schon fast den Kopf gekostet. Trotzdem konnten sie geniale Autos bauen. War es die permanente Knappheit an Ressourcen, die SAAB Ingenieure zu genialen Lösungen anspornte? Man könnte es glauben.

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      Da ist in jedem Fall was dran …

      Sowohl vorstehend zum Buch als auch an ihrem Kommentar. Es gilt aber auch, dass man hinterher immer klüger ist. Und SAAB war auch nicht der letzte aller 2T-Mohikaner …

      Gerade in D setzten damals viele auf 2-Takt-Motoren und SAAB auf die aus D. Hersteller nahmen für sich in Anspruch, dass ihr 3-Zylinder einen 6-Zylinder ersetzen würde. Aber sogar und ausgerechnet der “Klassenfeind” baute lange Zeit und weit über SAAB/Scania hinaus 2-Takter. Nämlich riesige Diesel-Motoren für beeindruckende Trucks mit sehr viel Chrom und Auspuffrohren in der Dimension von Fabrikschloten.

      Vor dem gegeben historischen Hintergrund lasse ich Milde walten und meine Aversion gegen diese Motoren löst sich großteils in Verständnis und Wohlgefallen auf. Damals waren das wohl Glaubensgrundsätze. Ich habe keine Ahnung, welchem ich verfallen wäre …

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      P.S. GENIALE SCHWEDEN

      Man kann unmöglich über das 2- und 4-Takt-Prinzip reden, ohne Husqvarna zu erwähnen …
      Die haben nämlich eine Art Hybrid erfunden. Einen 4-Takter, der die Überstromkanäle eines 2-Takters (allerdings zum Brennraum hin verschlossenen) für die Schmierung genutzt hat. So konnte man eine Ölpumpe, etliche bewegliche Teile, Reibungsverluste und Gewicht sparen. Das Motorrad war zumindest in Wettkämpfen sehr erfolgreich. Kommerziell teilt Husqvarna eher den Werdegang von SAAB, fristet aber unter dem Dach eines fremden und ausländischen Konzerns
      als weiterhin existierende Marke noch immer ein Schattendasein. Immerhin …

      Konnte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen. Sorry. Zu meiner Verteidigung:
      Ich sehe nach WW II eine Art Muster in dem, was schwedische Konstrukteure und Ingenieure über etliche Dekaden hervorgebracht haben. Da wurde improvisiert und getüftelt was das Zeug hielt. Die Ergebnisse haben oftmals langjährig Maßstäbe in allen möglichen Bereichen gesetzt. In der Fotografie, auf der Straße, im Gelände, auf Baustellen, zu Fuß und zu Wasser …
      In dem übergeordnetem Muster ist SAAB für mich “nur” ein Baustein. Aber einer, der mich noch immer täglich bewegt.

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    Danke für den Buchtipp. Zum Glück stehen Museum und Shop dieses Jahr auf dem Programm …

    DIE SAAT DES SCHEITERNS

    Was die Entwicklung der Marke, ihrer Modelle und Derivate betrifft, sollten weder die Protagonisten noch die Chronisten mit sich selbst bzw. der Marke zu hart ins Gericht gehen. Vor allem kann und darf man sie nicht an den heutigen Maßstäben der aktuellen Modellflut und aktuellen Produktions- und Entwicklungszyklen messen. Zwei Beispiele:

    Bevor Mercedes den 190 (spätere C-Klasse) einführte, hatte MB im Wesentlichen auch nur zwei Modellreihen. Bei Volvo lebte das Derivat der 1956 eingeführten Amazone in Gestalt des 240 knapp 40 Jahre bis in die 1990er. Zumindest kann man das Fahrwerk mit seiner unveränderten Spurweite und gleichem oder geringfügig verlängerten Radstand als Derivat interpretieren. Wenn man nicht ganz so weit gehen mag, nimmt man eben den 1966 eingeführten 140. Er lebte mit quasi identischen Türen und Windschutzscheiben im 240 bis 1993 knapp 30 Jahre fort (im Wesentlichen noch immer auf der “Plattform” der nochmals 10 Jahre älteren Amazone) …

    Sicherlich ließen sich noch viel mehr Beispiele finden. Mein Punkt wird aber auch jetzt schon klar, denke und hoffe ich. SAAB befand sich mit seinen Entwicklungszyklen und Fortschritten in guter Gesellschaft. Dass es der kleinen und feinen nordischen Marke überhaupt gelungen ist, immer wieder Impulse und Zeichen zu setzen, gar in die Rolle eines Vorreiters zu schlüpfen, kann man den Protagonisten und Ingenieuren gar nicht hoch genug anrechnen …

    Dass SAAB in den frühen Jahren auch für Anekdoten gesorgt hat – etwa stromlinienförmig verkleidete Radkästen der Vorderräder, die im hohen Norden auf langen ungeräumten Geraden vereisten und keine Kurve mehr zuließen, oder Rennfahrer, die beim Bremsen weiter Gas geben mussten und manchmal auf dem Dach landeten, manchmal aber auch tatsächlich Siege einfuhren – macht mir die Marke nur um so sympathischer …

    Das waren phantastische und fortschrittliche Autos. Oder eben auch “nur” aber immerhin noch zeitgemäße. Alles gut. Ich kenne keinen SAAB, für den sich ein Ingenieur der ersten oder einer späteren Stunde schämen müsste.

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