Ein Schwedenkrimi – die Entstehung der Saab Sonett II
Ein schwedischer Stardesigner, der liefern könnte und es nicht darf. Ein unerfahrener Designer, der bisher noch nie ein Auto bis zur Produktion gebracht hatte. Das Management, das sich über die Empfehlung seiner Techniker hinwegsetzt. Das ist die Geschichte der Sonett II. Eine Saab-Tragödie in mehreren Akten. Vorhang auf!
Wir schreiben die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Das Saab Management ist, auf Drängen des US-Markts, auf der Suche nach einem kleinen, leichten Sportwagen. Saab Hausdesigner Sixten Sason wird 1963 mit der Entwicklung eines Prototyps beauftragt, der bei ASJ in Katrineholm in Serie gebaut werden soll. Strenges Kostenmanagement steht im Lastenheft.
Möglichst viele Teile aus der Serienproduktion sollten vom Saab 96 übernommen werden.

Sason gefallen die Vorgaben für die Sonett II nicht
Das traf auf Widerstand. Sason, der damals parallel am Saab 99 arbeitete, wollte für das Sportwagenprojekt eine große, gewölbte Frontscheibe einsetzen. So wie wir sie vom Saab 99 und Saab 900 kennen und wie sie zu einem Stück Saab DNA geworden ist. Stattdessen musste er die gerade und kleine Frontscheibe des Saab 96 verwenden und auch die Bodengruppe dieses Modells.
Der solide, im Lastenheft vorgesehene Überrollbügel, veranlasste Sason logischerweise den Sportwagen mit einem Targadach zu konstruieren. Saab hätte damit den den Targa Gedanken, von Porsche im September 1965 präsentiert, vorweggenommen.
Designer Legende Sixten Sason, der bisher alle Saab Modelle gestaltet hatte, war Profi, und ihm war klar, dass sich finanzielle Gesichtspunkte manchmal gestalterischen Wünschen unterordnen müssen. Dass sich die Einhaltung von Vorgaben nicht immer auszahlt, war ihm zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bewusst. Die Arbeiten gingen gut voran, im Herbst 1964 entstand ein 1:1 Modell.
Im Januar 1965 näherte sich der Prototyp, Catherina genannt, der Vollendung.
Der Alternativentwurf …
Dann der Schock. Kurz vor der Vorstandspräsentation am 09. Februar taucht im schwedischen Fernsehen ein zweiter Saab Sportwagen-Entwurf auf. Gezeichnet vom Designer Björn Karlström, der sich in seiner Laufbahn nur ein einziges Mal mit automobilem Design beschäftigt hatte. In den 50er Jahren hatte im Zuge des Norrland Fonds, eines Arbeitsmarkt Projektes zur Förderung strukturschwacher Regionen, einen Kleinwagen gezeichnet.
Der allerdings nicht gebaut wurde. Die mangelnde Erfahrung von Karlström sollte später noch zum Thema werden.

Gebaut wurde der Entwurf bei MFI, Malmö Flygindustri, die sich Hoffnung auf den Produktionsauftrag machte. Denn die Serienfertigung sollte aus Kapazitätsgründen nicht in Trollhättan erfolgen und an ein externes Unternehmen vergeben werden.
Beide Entwürfe im Vergleich …
In den ersten Tagen des Jahres 1965 testeten Saab-Techniker beide Entwürfe. Der MFI Entwurf von Karlström war kleiner, leichter, aber auch spartanischer als das komfortablere und besser ausgestattete Catherina Modell von Sixten Sason.
Die Testfahrer vertraten einhellig die Meinung, dass die Catherina über das bessere Handling und über mehr Marktchancen verfügte und gaben eine Empfehlung für Sason’s Entwurf ab.
Der Saab Vorstand entscheidet…
Trotz dieses Votums entschied sich der Vorstand gegen den Entwurf des Hausdesigners und das mit einer merkwürdigen Begründung. Das Gewicht der Catherina sei zu hoch, 40 Kilogramm mehr im Vergleich zu Karlströms Entwurf, und die Fensterflächen seien zu klein.
Dabei übersah man, dass Sason sich nur an die Vorgaben gehalten und die Fensterelemente aus dem Saab 96 verwendet hatte. Obwohl ASJ, Sixten Sason und Björn Envall nachlegten und einen neuen Entwurf präsentierten, blieb Saab bei dem Beschluss. Wohl zum einen aus Prinzip, zum anderen, weil man einen Kompromiss mit beiden, an der Produktion interessierten, Firmen gefunden hatte.
Der MFI Entwurf ging in Serie, wurde aber bei ASJ im Werk Arlöv gebaut und MFI war nur noch Zulieferer. Zeitgleich wurde das Projekt in Saab 97 Sonett umbenannt. Ein weiterer Schlag für Sixten Sason, denn er hatte den Namen “Sonett” 20 Jahre vorher erfunden. Jetzt bekam ein Projekt, welches nicht sein eigenes war, seinen Namen.
Harte Kritik an der Sonett II …
Für das Saab Management sollte es sich rächen, auf einen Neuling gesetzt zu haben. Die Autopresse ließ kein gutes Haar an der Sonett. Im Herbst 1968 schrieb das amerikanische Magazin “Road & Track“:
“Das Design ruft bei jedem Experten Tränen der Verzweiflung und der Resignation hervor. Die grauenhafte Linienführung ist eine echte Tragödie, vor allem deswegen, weil Saab die Möglichkeit hatte etwas vollkommen anderes zu produzieren. Die grundsätzliche Konzeption – etwas verwegen und provozierend – ist richtig, während Bearbeitung und Finish der Kunststoff-Karosserie sogar ausgezeichnet sind. Aber jedes einzelne Detail – und eine einzige Inspektion des Wagens fördert davon mindestens 80 zu Tage – kündet davon, dass der Konstrukteur naiv, gefühllos, fantasielos und unfähig zur Ablieferung eines konsequent durchgehaltenen Designs ist. Jedes einzelne Bestandteil des Wagens erscheint angeklebt, aufgeschraubt oder angenietet, als ob es aus der Grundform herauswachsen würde oder eingeschnitzt wäre. Es ist kein einziger, bewusster Versuch erkennbar, ein Einzelteil ins Ganze einzufügen.”
Saab bekam das Risiko zu spüren, welches man eingeht, wenn man sich nicht auf einen erfahrenen Designer mit Gefühl für Form, Material und Funktion verlässt. Zur Ehrenrettung von Karlström muss gesagt werden, dass er weder für die nachträglich angebrachte Beule auf der V4 Motorhaube verantwortlich war, noch für die Luftaustrittsöffnungen. Gegen beide Änderungen protestierte er – erfolglos.
Käufer boykottieren die Sonett II
Die amerikanischen Käufer, Hauptzielgruppe für die Sonett II (Saab 97), hielten sich von der Sonett fern. Sie interpretierten den kleinen Sportler als ein billiges Bausatz-Auto von den Britischen Inseln. Die Sonett erreichte nie die vorgesehenen Stückzahlen. Ursprünglich wollte man 1.500 Sonett im Jahr produzieren, kam aber nicht annähernd auf diese Stückzahl. Das trotz anerkannt guter Fahreigenschaften.
Denn sah man über das Design hinweg und fuhr man mit der Sonett, dann wurde daraus eine Sonate.

Eine verlorene Chance für Saab? Vermutlich. Sixten Sason, der große Designer, verließ 1967 und damit viel zu früh diese Welt. Saab Design hatte er von Anfang an geprägt, bis in die Gegenwart. Auch jetzt nach 45 Jahren, finden wir seine Formensprache an fast jedem Saab. Die muschelförmige Motorhaube, beim Saab 99 eingeführt, findet sich auch beim Saab 900, Saab 9-5 und beim Saab 9-3 II Facelift Modell wieder. Der Hockeystick, ein Saab Designmerkmal und die große, rund gezogene Windschutzscheibe leben in vielen Autos aus Trollhättan fort. Mehr Anerkennung für ein Lebenswerk geht nicht.
Björn Carlström designte weiter Flugzeuge und arbeitete auch für Scania im LKW Design. Einen Namen machte er sich in seiner langen Karriere aber als Comic Zeichner für das Svenska Dagbladet. 2006 legte er den Stift für immer aus der Hand.
Im Museum stehen die unglückliche Catherina, Sason’s Entwurf, und die Sonett II friedlich zusammen. Es ist viel Zeit vergangen, und kaum einer kennt heute noch das Drama um die Entstehung der Sonett. Die Catherina begrüßt den Besucher, wenn er durch die Glastüre tritt. Und – ja – die Catherina ist die verpasste Chance.
Porsche machte mit dem Targa Furore, Saab hätte das Segment vor Porsche besetzen können. Der Targa ist ein Teil der Erfolgsgeschichte der schwäbischen Marke…welche Chancen hätte Saab gehabt? Die Catherina ist die vergessene Schöne. Sie hätte über eine lange Zeit produziert zum Klassiker reifen können. Die Sportwagen Geschichte der Marke aus Trollhättan hätte sich anders entwickelt.
Catherina wäre Kult geworden. Und ja – ich bin Catherina Fan.
Es ist heute wie damals. Nichts hat sich geändert bei den Herren im Vorstand eines PKW-Herstellers. Die entscheiden über ach und wehe eines Designs. Ob es für den Hersteller gut oder schlecht ausgeht. Man sah es bei Saab in den 60ern. Gestern, heute und morgen bei Opel, wenn weiter die Herren in Detroit darüber bestimmen. So wie sie es bei Saab seit 1993 gemacht hatten…
Übrigens die Japaner sind da auch nicht besser, bis auf wenige Ausnahmen (Mazda MX 5) wenn wir mal bei Sportwagen bleiben wollen…
Hallo Tom,
wir sind gespannt auf Deine angekündigten Nachrichten.
Hier noch die Meinung meiner Frau und mir zum kleinen SAAB-Sportwagen aus den 60er Jahren:
“Catherina” hat mit Abstand das beste Design – sehr merkwürdig, dass man sich nicht für diese Variante durchringen konnte!