Auf weiten Strecken finden Sie keinen Besseren – der Audi 100

1976 warb Ingolstadt mit dem neuen Audi 100 und seinen Langstreckenqualitäten. Auf weiten Strecken finden Sie keinen Besseren, meinte die Marke mit den 4 Ringen. War das so? Der Saab 9000, die Langstreckenkoryphäe aus Schweden war noch nicht erfunden, der Audi hatte, durch die Saab Brille betrachtet, also echte Chancen.

Immerhin war er der erste große Audi, der unter dem maßgeblichen Einfluss eines gewissen Herrn Piëch entstand, der die Marke an die Spitze führen wollte. Der melodiöse Reihenfünfzylinder war seine Komposition, und trotzdem war ich stark enttäuscht, als ich Jahre später mit dem Audi auf Strecke ging.

Die führte von Frankfurt nach West Berlin, mit einem Abstecher in das Herz des real existenten Sozialismus, und wieder zurück. Die Enttäuschung – sie ist auch heute noch nachvollziehbar.

Audi 100 - für die Langstrecke
Audi 100 – für die Langstrecke

Audi 100 – auf weiter, weiter Strecke

Der Transit nach Berlin West ist Legende, erfahrene West Berlin Reisende bevorzugten den Grenzübertritt bei Helmstedt, der die kürzeste Strecke durch den Osten versprach. Mein historischer grüner Reisepass ist voll mit Stempeln, die zu 90 % vom Übergang Marienborn stammen.

Nur ein mal fuhr ich den Transit mit einem Audi 100 CD (C2), und schon nach den ersten Kilometern bereute ich die Wahl. Der Audi, ein später C2 Avant mit Fünfzylinder und 3-Gang Automatik war ein lautes, versoffenes und unbequemes Auto. Eine fürchterliche Kiste, so ging es mir damals durch den Kopf. Und das soll ein Audi sein?

Ich hasste den Audi und war froh, als der Trip vorüber war und ich ihn am nächsten Tag wieder in Frankfurt abstellen konnte. War der 100 Avant wirklich so schlimm?

Der Audi 100 C3 ist der Feind des C2

Die Fahrt fand irgendwann im Jahr 1984 oder 1985 statt. Ich fuhr damals eigentlich schon den Nachfolger (C3), jenen Audi 100, der durch seine Stromlinie viel Aufmerksamkeit erregte. Der war ein richtig gutes Auto, ein Ingenieurswagen, wie er intern genannt wurde. Er war schnell, ging knausrig mit fossilen Energieträgern um, war hervorragend verarbeitet und hatte Platz ohne Ende. Vom C3 verbrauchte ich nacheinander drei Exemplare, bevor ich auf den C4 umstieg und meine Audi Karriere abrupt endete.

Für diese denkwürdige Tour musste ich jedoch auf einen Audi 100 (C2) Avant aus dem Firmenfuhrpark zurückgreifen, da mein Auto in der Werkstatt stand.

Ein Kulturschock.

Statt moderner, eleganter Stromlinie gab es Plüsch, statt Effizienz einen versoffenen Fünfzylinder mit einem Dreigang Getriebe, und statt Ruhe im Innenraum klapperte die Kiste an allen Ecken und Enden und Material und Verarbeitung waren lausig.

Mein Eindruck war natürlich wiederum dem gewissen Herrn Piëch zu verdanken, der Audi mit aller Energie nach vorne trieb. Zwischen dem C2 und C3 Audi 100 lagen Galaxien. Der C3 war ein Quantensprung, welcher seinen Vorgänger über Nacht ziemlich schlecht aussehen ließ.

Der neue große Audi - aber sein Nachfolger ist noch besser
Der neue große Audi – aber sein Nachfolger ist noch besser

Dabei war der Audi 100 (C2) bei seiner Premiere ein gutes Auto. Audi hatte auch hier einen Sprung nach vorne gemacht, die Marke brachte sich in Position, um auf den Exportmärkten angreifen zu können. Die erstmals eingesetzten Fünfzylinder Benziner wurden zu einem Teil der Ingolstädter DNA. Der Diesel, ebenfalls mit der ungeraden Zylinderzahl, startete im C2 seine große Karriere, und die grauenvoll plüschige CD Ausstattung sollte damals den Oberklasse Anspruch untermauern.

Auf weiten Strecken zu Hause

In der doppelseitigen Werbung aus dem Sommer 1976 erwähnt Audi die Erprobung in Nordschweden und Zentralafrika. Was heute normal erscheint, und keiner Erwähnung wert ist, war damals neu. Testfahrten in verschiedenen klimatischen Zonen gab es zuvor bei der Marke mit den 4 Ringen nicht. Es war schon wieder dem Perfektionisten Ferdinand Piëch (Link) zuzuschreiben, dass diese Erprobung Standard wurde.

Den ziemlich langen Tag mit dem Audi 100 (C2) überstand ich irgendwie, ich leistete morgens um 4 Uhr einem Alfa Romeo Pannenhilfe auf der leeren Autobahn, und war irgendwann wieder zurück in Frankfurt. Transitstrecke, West Berlin, real existierender Sozialismus, und ein Audi, den ich nicht mochte, der aber den Marathon zuverlässig mitmachte.

Man ahnt es vielleicht, ich war ziemlich jung damals. Und vielleicht fand man wirklich auf weiten Strecken keinen Besseren, als so einen Audi 100.

– Fortsetzung folgt –

8 thoughts on “Auf weiten Strecken finden Sie keinen Besseren – der Audi 100

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    2020/21 bin ich zuletzt in zwei Audi 100 C4 gefahren. In Kasachstan. Sie wurden dort als Jandex-Taxi eingesetzt. Schon recht ausgezehrt, viele, viele hunderttausend Kilometer auf dem Tacho, aber das was funktionieren sollte, funktionierte auch noch immer. Den C3 fand ich….auch eher an älterem Publikum orientiert. Die Formgebung war aus einer anderen Zeit, ein Avant passte da besser hinein. Aber die Qualitäten waren hervorragend. Den C2 habe ich als Kind nur ein paar Mal gesehen, der war bei uns sehr selten. Einladend finde ich den nicht, was aber hier auch eher an der Formgebung liegt. Gegenüber einem Passat sicher luxuriös, Opel konnte es damals aber vom Eindruck her besser. Glaube ich.

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    Wo sind sie geblieben?

    Ich weiß es! Alle in den 1980ern von der Jugend verbraucht. Ein Kumpel hatte einen in Topmotorisierung und wollte nix als Spaß mit der Kiste.
    Erst wurde sie mattschwarz gerollt und bekam eine eigene Comicfigur auf die Haube. Später noch ein großes Graffito auf eine Seite, welches zwischen B- und C-Säule sogar über die Fenster bis zum Dach reichte. Ein Auslass (der Fächerkrümmer) wurde angebohrt, was ein ziemlich coolen Sound ergab …

    Mit Wertschätzung und Erhaltung hatte das alles nix zu tun. Es ging eher um postpubertäre Selbstverwirklichung und einen Tanz auf dem Vulkan, statt ums goldene Kalb …

    Schade eigentlich um die Substanz und Ressourcen. Dieser Audi mag etwas spießig sein (vor allem im Vergleich zu einer CX der Biedermann schlechthin), aber irgendwie ist er auch das perfekte Klischee eines Autos dieser Zeit. So manches Verkehrszeichen sieht noch heute aus, als hätte man sich diesen Audi zum Vorbild genommen. Oder ist es umgekehrt und Audi hat sich die Verkehrszeichen zum Vorbild für das Design genommen?

    Man weiß es nicht so genau. Aber mehr Klischee und Archetyp auf 4 Rädern geht kaum. Innovativ war aber der 5-Zylinder. Volvo hat (viel später mit dem 850/V70) auf Reihen-5er gesetzt und für diese Motorengeneration sehr viel Lob und Anerkennung bekommen, sowie Erfolge eingefahrenen.
    Wenn ich es richtig im Kopf habe, sind damals 4 Volvos 850 bei der britischen Meisterschaft der Tourenwagen am Ende der Saison auf den Plätzen 1, 2, 3 und 5 gewesen. Das ist schon kein Erfolg mehr. Das ist Dominanz!
    Die Wurzeln dieser 5-Zylinder (auch wenn es Eigenentwicklungen sind) liegen letztlich aber irgendwie bei Audi, wenn ich mich nicht täusche?

    Schon schade, dass die alle von “Punkern” aufgebraucht wurden.

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  • Mein Vater fuhr seit den 70ern immer Audi 100, auch den genau hier gezeigten 5-Zylinder in Rot (mit 115 PS, was sich damas im Vergleich zum R4 meiner Mutter für mich gewaltig anhörte) und bis zum C3 oder sogar C4, weiß ich nicht mehr genau. Ich fand die damals einfach nur opamäßig und total uncool, aber das hatte wohl auch andere Gründe (obwohl mich die Quattro-Werbung mit der Skischanze sehr faszinierte, aber das war eben was ganz anderes). Und ja, klappern taten sie alle. Mein Vater hielt deswegen öfters spontan an, riss alle Türen und den Kofferraum auf, hüpfte fluchend um das Auto rum und versuchte, der Sache auf den Grund zu gehen. Im Nachhinein jetzt eine witzige Erinnerung, aber natürlich total bekloppt und erfolglos.

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      Moin.
      Ich hatte meine ersten Audi Erfahrungen mit dem Audi 50 gemacht. Der würde dann aber zum Polo umgelabelt.
      Gruß André

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  • Ich denke ein Citroën CX stand dem Audi in Sachen Langstreckenkomfort in nichts nach. CX 2400 Pallas, zwar eine Sänfte konnte aber doch recht zügig bewegt werden.

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    • Der/die CX war besser als der Audi, finde ich.

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      Ich denke, dass da ein noch weiterer Franzose deutlich mehr Komfort bot – Peugeot 604; das war ein Ereignis, als sich der Herr Papa den ersten (V6) kaufte – getoppt dann vom zweiten (TD, was keine so gute Entscheidung war) – den stellte der Händler sogar samt Blasmusikkapelle eines Samstagnachmittags vor die Haustür, was dann noch in einem spontanen Straßenfest endete 🙂

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    Der 100 fuhr in Nordamerika als Audi 5000 oder so herum. Mit fetten Stoßfängern, wenn ich mich richtig erinnere. Eine rostanfällige Geschichte 🙂

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