Unbekannt – die unglückliche Holden-Saab Geschichte

Als ich im Jahr 1992 meinen ersten Saab, einen klassischen 900S Sport kaufte, rollten die neuen 9000 CS schon in die Ausstellungsräume der Händler. Mit Trionic-Motoren, einzigartig, und wohl mit das Fortschrittlichste,  was man damals für Geld haben konnte.

Was ich zu dieser Zeit nicht verstehen wollte,  war, warum die Antriebe aus Södertälje nicht in anderen Modellen des GM Konzerns auftauchten. Saab gehörte ab 1990 zu 50 % zu den Amerikanern, welche seitdem das Sagen am Göta Älv hatten. Stattdessen gab es bei Opel, mit wenigen Ausnahmen, nur Durchschnittsware und keine Gourmetkost aus Schweden.

In meiner jugendlichen Naivität vermutete ich die Motoren als exklusiv für Saab hergestellt, aber ich habe mich geirrt. Denn in Wirklichkeit sabotierte damals schon das Opel-Management Saab,  wo es nur ging, und hätte das Motorenwerk in Schweden lieber heute als morgen geschlossen.

Ein Saab Motor im Holden Commodore
Ein Saab Motor im Holden Commodore. Foto Credit: Neil Pogson

Ein Saab Motor im Holden?

Die kaum bekannte Geschichte dahinter war Folgende: Im Jahr 1993 startete die GM Tochter Holden die Suche nach einem kleineren Motor für den Commodore. Für eine mögliche Export-Offensive in verschiedene asiatische Länder war der verwendete 3,8 Liter V6 von Buick nicht geeignet, steuerliche Regularien verlangten nach kleineren Hubräumen. Bei Holden verband man große Hoffnung mit der Erschließung neuer Märkte, ein leistungsfähiger Motor weniger als 2,4 Litern Hubraum wäre dazu optimal gewesen.

Die Entwickler identifizierten zwei mögliche Kandidaten: Den etwas zu großen Opel 2,6 Liter V6 aus englischer Produktion. Oder den Saab Turbo mit 2.3 oder 2,0 Liter.

Der direkte Vergleich beider Maschinen ging eindeutig für die Motoren aus Schweden aus. Moderner, effizienter, und mit der Möglichkeit,  ohne Änderungen sowohl die kleine als auch die große Maschine im Commodore zu installieren. Auch die Kosten sprachen für die Saab Konstruktion, und so machte sich Neil Pogson und sein Kollege Russ Little im Mai 1993 auf den Weg nach Schweden.

Holden Saab Projekt – Besuch in Södertälje

Sie besuchten die noch recht junge Fertigung in Södertälje, die damals eine beeindruckende Hightech Fabrik gewesen sein muss. Die Produktion war zu dieser Zeit nur wenig ausgelastet und das Saab Management war am Holden Projekt äußerst interessiert. Eine enge Zusammenarbeit schien beiden Seiten logisch, und die Australier schickten Wochen später zwei Holden Commodore zum Motoreneinbau nach Schweden.

Im Februar 1994 waren Pogson und Little zurück am Göta Älv und begutachteten den Fortschritt im Prototypenbau. Der B234 Motor musste längs  und nicht wie gewohnt quer installiert werden, was einige Modifikationen nach sich zog. Und dann benötigte man ja auch noch ein passendes Automatikgetriebe für den Commodore. Kein Problem, denn das GM Regal war gut gefüllt. Von Schweden aus reisten die Australier nach Frankfurt und weiter zu dem Getriebewerk nach Straßburg.

Das GM Hydramatic 350 Getriebe sollte im Commodore mit Saab Motor eingebaut werden – und war offensichtlich ideal für die 350 Nm des Turbo aus Schweden geeignet. Allerdings nur auf dem Papier. Die Entwickler hatten ihr Getriebe zwar mit 350 Nm spezifiziert, aber, wie man zugeben musste, nur bis 280 Nm getestet. Eingesetzt wurde es zu dieser Zeit bei Opel, mit 260 Nm maximaler Belastung.

Nach etlichen Diskussionen wurden 300 Nm Drehmoment als Freigabe akzeptiert, die Getriebe nach Schweden geschickt, und bald darauf reiste der erste Holden Commodore mit Saab Turbo Motor von Trollhättan nach Australien.

Holden Saab Projekt – Opel macht Front

Zwischenzeitlich formierte sich aber heftiger Widerstand gegen das Projekt. Die GM Provinzfürsten wollten vor allem ihre eigenen Fabriken ausgelastet sehen. Wen interessierten da die Pläne von Saab und Holden? In vorderster Front: Peter Hanenberger  – zu dieser Zeit GM Vice Präsident und Leiter des Opel Entwicklungszentrums – bezieht Stellung gegen das Projekt. Hanenberger war als harter Sanierer und Kostensenker unterwegs, der Einstieg zum Abstieg der Marke Opel darf auch an seiner Person festgemacht werden.

Er hätte den Saab Motorenbau am liebsten eliminiert und die Turbos aus Södertälje durch Opel Maschinen aus Kaiserslautern ersetzt. Das gelang ihm zwar auch in den folgenden Jahren nicht, Saab stieg zum Turbo-Kompetenzzentrum im GM Konzern auf.

Aber Hanenberger torpedierte erfolgreich das Holden-Saab Projekt.

Obwohl die Entwickler in Australien begeistert über den Holden-Saab Commodore waren, mussten die Prototypen mit dem Eintreffen des zweiten Fahrzeugs verschrottet werden. Stattdessen kam der 2,6 Liter V6 zum Einsatz. Eine denkbar schlechte Entscheidung, denn der Opel Motor erfüllte nicht alle steuerlichen und zollrechtlichen Anforderungen in den anvisierten Ländern. Der Erfolg blieb aus, die Exportoffensive von Holden nach Asien fand niemals statt.

Am Ende nur Verlierer

Am Ende gab es nur Verlierer. Saab konnte die Stückzahlen im Motorenbau nicht steigern, Holden sich keine Zukunftsmärkte erschließen. Und Opel blieb auf den Maschinen sitzen. Hanenberger steht beispielhaft für die traurige Tatsache, dass Opel Saab seit dem ersten Tag schikanierte,  wo es möglich war. Letztlich scheiterte er selbst an seinem brutalen Sparkurs und wurde trotz Rückendeckung aus Detroit 1998 nicht zum Opel Chef. Die mächtigen Arbeitnehmervertreter im Opel Aufsichtsrat hatten genug von seinem destruktiven Kurs und verhinderten seine Ernennung zum CEO. Peter Hanenberger wurde, Ironie der Geschichte, ausgerechnet nach Australien weggelobt. Bei Holden soll er dann aber einen guten Job gemacht haben.

Saab hat GM nicht überlebt, genauso wenig wie Holden. Im Oktober 2017 schloss, nach 69 Jahren, die letzte Holden Fabrik ihre Pforten. Und Opel? Nach dem Verkauf an die PSA Gruppe fahren die Franzosen einen konsequenten Kurs. Sie realisieren das, was GM nie tat. Opel wird komplett integriert, das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim filetiert. PSA behält nur einen Teil im Konzern, und gibt den Rest an externe Dienstleister ab. Die Zeit der Provinzfürsten, Intrigen und der Alleingänge sind damit vorbei.

Allerdings die der Eigenständigkeit auch.

Die komplette Holden-Saab Story hat Ex-Holden Entwickler Neil Pogson in seinen Erinnerungen niedergeschrieben. 10 Seiten mit Details, einzigartigen Bildern und einem bisher kaum bekannten Stück Saab Geschichte gibt es hier als Download.

17 thoughts on “Unbekannt – die unglückliche Holden-Saab Geschichte

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    My car history from 1985, was |I bought my 1st Saab 9000 in 1985, a 9000i, oh I did not think it was a good car, far to slow (No turbo)…………

    I had seen a super looking car in the Sunday paper supplements in full colour, and I loved the look of this 1986 OPEL Monza GSE…. but did not have money to buy new…. I found a 1 yr- 2 month old one for £8000.

    I owned this Opel for another year, and have to say, we have a saying in the UK it is “it was a Friday afternoon car”, and everything went wrong on that car, but that is another story……..

    Then on 1987 I saw this big Gold thing, pass me one day and I thought that looks nice, it was a SAAB 9000 SE (a special UK version, which had the original wood veneer door caps/Dash & gear select etc, installed especially in/for the UK.
    I had a Saab body kit placed on the car, which made it into a Carlsson lookalike.

    That B202 2L turbo engine was like a fire in your bum, boy put your foot down @ 50mph, and the nose went up, the arse sat squat, and it took off….. outrunning anything else around……

    Memories, eh!!

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    Sehr interesssant, danke

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    Bei mir ist es – soweit ich weiss bzw mal gelesen habe – eher “umgekehrt” …
    … hier werkelt ein “Holden” im Saab und bringt mich jeden Tag wohin ich will ….. 😉

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      Umgekehrt hat es funktioniert. Und es ist ein guter Motor!

    • Ja umgekehrt hat es funktioniert. In meinem letzten Saab, ein 9-3 SC mit 2,8 Liter, 6 Zylinder war der Motor von Holden. Das Auto war Fahrspaß pur. Ich trauere dem Auto immer noch nach, aber war zum Schluss wirtschaftlich nicht mehr zu halten. Tja und man weis ja die Geschichte, mangels Nachschub seit 2011, sitz ich nun eben im Volvo. Und das schlimme ist ich hab mich dran gewöhnt und finde es mittlerweile tatsächlich auch angenehm. Aber gerade dieser, mein letzter Saab, war eben noch ein Auto, das Emotionen wecken konnte.

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        Na immerhin fahren Sie noch so schwedisch, wie es auf dem Neuwagenmarkt heute eben geht.

        Auf großen Parkplätzen lasse ich immer wieder den Blick schweifen und versuche Schweden zu entdecken. Selbst wenn der Parkplatz gut gefüllt ist, gelingt es oft nur deshalb, weil einer meiner beiden dort steht.

        Ich kenne die Zulassungszahlen nicht, aber gefühlt sind auch immer weniger Volvos unterwegs. Ich sehe mehr LKW von Volvo und Scania als schwedische PKW. Traurig …

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          Die aktuellen Volvos (V90, XC90, XC60) verkaufen sich prächtig. Gerade mit den 90er Modellen konnte Volvo einige Kunden von deutschen Herstellern abwerben.

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            Danke für die Info. Beruhigend …
            Mit dem S90 hatte ich zwei und dem V90 erst eine einzige Begegnung in freier Wildbahn. Im gleichen Zeitraum habe ich mehr SAAB 9-5 NG gesehen, als V & S90 zusammengenommen. Da wird man nachdenklich …

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            Nach meinem – nicht zahlenmäßig nachgeprüften – Eindruck sehe ich hier in HH auf den wenigen Kilometern ins Büro immer sehr sehr viele Volvo, jedenfalls deutlich mehr als zB Opel. 🙂 Auch auf meiner heutigen Strecke nach HRO und zurück waren es richtig viele, aber leider kein einziger Saab 🙁 (abgesehen von den paar, die man in HH eigentlich glücklicherweise immer noch sieht). Wobei ich persönlich die Volvo-Dichte eher nicht so toll finde: Man sieht praktisch nur noch diese neuen potthässlichen, total klobigen und irgendwie im Design völlig unstimmigen riesigen SUV. Außerdem sinds ja eh Chinesen….

            Ich HASSE SUV (absolut unästhetische, in der Stadt völlig schwachsinnige Möchtegern-Trecker und “Gelände”-Verschnitte, die einem ständig die Sicht versperren, zumal deren Fahrer ja grundsätzlich die Modelle mit Mafia-Scheiben-Tönung und ohne Blinker wählen) und LIEBE den Blog! Hach, das tat gut! 😉

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    Typisch Opel halt. Haben noch nie einen Blick für das Wesentliche gehabt.

  • Interessantes Artikel.
    GM hat Saab kaputt gemacht aber das auch Opel durch GM an die Tur gestellt wuerde hat diese Peter Hanenberger nie gewusst. Wenn er noch lebt wird er sich schaemen, wenn er schon gegangen ist dreht er sich vieleicht um ins Grab.

  • Tolle interessante Story! Erst das Bilderrätsel, jetzt die Hintergrundinfos dazu. Der Spannungsbogen hat sich nun geschlossen. Vielen Dank!
    Ich liebe den Saabblog!

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      Wer liebt ihn nicht?

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        Na was ist denn heute los? Danke dafür!

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    Spannung pur!
    Klasse Artikel, danke für die mir bis jetzt unbekannten Infos und Details.
    Unglaublich, das innerhalb eines Konzerns solch destruktive Interessen eines “Provinzfürsten” möglich waren…
    SAAB bietet sicher noch mehr derartige “Hintergrund”-Infos…, z.B. die, über die verschiedenen SUV-Versuche.
    Sonnigen Tag!

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    Abgründige Hintergründe

    Dass sich die SAAB-Motoren innerhalb des (GM-) Konzerns nicht durchsetzen konnten, habe ich nie verstanden. Noch weniger aber, dass auch die Marke SAAB verwässert und dazu verdammt wurde, ab 1993/1994 6-Zylinder von GM im 900 und dem 9000 zu verbauen und anzubieten, die den eigenen Vierzylindern in allen Aspekten unterlegen waren – ökologisch ohnehin aber trotz mehr Zylindern und Hubraum sogar auch leistungsmäßig …

    Angeblich wollte der Konzern den Premiumanspruch der Marke SAAB mit höheren Zylinderzahlen und “besseren” Motoren unterstreichen. Ein trojanisches Pferd. Dass GM sich, Opel und Holden diesen Trojaner letztlich auf den eigenen Hof gestellt hat, ist nur ein schwacher, aber doch auch ein gewisser Trost.

    Entweder fehlte es auf der Entscheidungsebene im (GM-) Konzern tatsächlich an technischem Sachverstand, Algebra auf Grundschulniveau und der gebotenen Weitsicht, oder man war schlicht und einfach zu sehr von dem eigenen persönlichen Einfluß beseelt und von internen Machtfragen getrieben, um überhaupt noch klar denken und das Richtige tun zu können?

    Unter dem Strich ein sehr trauriger Beitrag. Aber auch gut recherchiert und erhellend. Vielen Dank!

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    Das ist eben das Problem, am dem die schlecht geführten Konzern sterben – interne Sichtweisen werden immer über das gestellt, was dem Kunden nützen könnte.

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