Saab 99 – ein blauer Finne in Deutschland
Ich bin erst seit letztem Dezember Abonnent des Blogs und lese mit großer Begeisterung die täglichen News vom und über SAAB, geschrieben von Menschen, die offensichtlich ein besonderes Gen in sich tragen. Da passt es vielleicht gut in den Verlauf des Blogs, einen weiteren aktiven Vertreter auf vier Rädern vorzustellen! 99er, blau, 1984 vom finnischen Valmet-Werk, mit zarten 101 PS gefertigt, 5Gang und – ja, in guter Verfassung trotz seiner 273.000 Km.

Die Karosserie zeigt Patina, aber ohne abschreckende Schwächen. Der Motor war ein wenig schlapp und innen konnte man sehen, dass der SAAB von den Finnen auch zum Gummistiefelweitwurfwettbewerb gefahren wurde. Deutsche Wortbildung kann auch mal genial sein.
Den Kauf habe ich nur anhand von ein paar Telefonaten und vieler Bilder über einen klassischen Messenger Dienst abgewickelt und mir den 99er vor die Tür eines SAAB-Fachbetriebes in Hamburg stellen lassen.
Ich musste meiner Frau recht geben, dass das ein bisschen mutig war, aber immer noch besser, als während der Pandemie im Januar `21 Trübsal zu blasen. Und der 99er enttäuscht nicht.

Natürlich habe ich vorher geklärt, was ich als Kaufmann ohne tiefergehendes Talent für die Schrauberei tun muss, um den 38 Jahre alten SAAB aufzupeppen. Und da kommt nun die langjährige Erfahrung des Hamburger Betriebes ins Spiel! Sozusagen Input in Form von Ideen, Wünschen und Vorstellungen von mir und der Output aus Hamburg als turbogeladene Limousine mit Zertifikaten für eine ordnungsgemäße Zulassung.
Das Budget war besprochen und konnte zu meiner Freude nahezu eingehalten werden. Dennoch gab es auf dem Weg zum Turbo ein paar wenige Überraschungen, die ich aber in Reserve hatte.

Was wurde gemacht? Motor revidiert und Turbolader darauf, Ölkühler und Einspritzanlage dran, ein erneuertes Fahrwerk verbaut, Minilite Felgen und Spoiler besorgt und dies und das.
Für innen konnte ich einen anderen 99er für kleine Scheine in Deutschland kaufen, der mir eine schöne Velours Einrichtung gespendet hat, noch dazu in der Turbo Version der letzten Generation 99. Himmel und C-Säulen sollten dann auch gerne lecker schnuffeln.
Über die Online-Plattformen Tradera und Ebay habe ich mit Geduld und Glück ein Turbo Lenkrad und eine Ladedruckanzeige gefunden.
Jetzt ist ER also fertig und hat sogar Anhängerkupplung! Mit dem Finnen schließe ich an die Zeit im Jahre 1982 an, als ich mir mit 19 Jahren den Traum eines gebrauchten SAAB 99 GLS CC von 1977 erfüllen konnte. Sollte das Gefühl von damals hinter dem Lenkrad des Turbo wieder aufkommen?

Nun, dazwischen liegen Dekaden und der Sprung von Kassette zu Bluetooth ist doch größer, als ich vermutet hatte. Dennoch fährt der große Spaß immer mit, sobald der Turbo pfeift, das Lenkrad ohne Servo in die Parklücke gezwungen wird und das offene Fenster Wind und Sound in die Kanzel lässt.
Überhaupt die Kanzel!
Eben doch wie damals, als ich an der Ampel immer den Kopf schräg zur Ampel halten musste und trotzdem nicht an vorderer Linie stand. Dazu die enge Pedalerie mit leichtem Versatz nach rechts, sodass der Pilot in eine leicht schräge Haltung zur Mitte gezwungen wird. Ich glaube, SAAB hat das damals als Sicherheitsgewinn verkauft, da der Fahrer nicht Gefahr läuft, zu mittig auf der Straße unterwegs zu sein.
Passt so ein Auto in das Jahr 2022 und darf man einen 99er auf Turbo machen? Ich denke schon, denn mein Finne von 1984 trägt noch immer die Erst-Energie von damals in sich und solange es die Fachleute für Erhalt, Wartung und Service gibt, muss man sogar eine solche Chance ergreifen.
Und zu guter Letzt hat mich meine Frau walten lassen und schmunzelt über den 99er und den Bub hinterm Lenkrad, der immer noch nicht aus der Midlife raus zu sein scheint, wenn der Blick auf den Lader geht. Genau, und das ist auch gut so!
Nun laufen die Vorbereitungen zum großen Treffen in Trollhättan und ich freue mich bereits auf das Event, wo ein schwedischer Finne in Schweden haltmachen wird.
Liebe Saabisti, ich habe mich sehr gefreut, dass der Beitrag zum einen aufgelegt wurde und die Lesenden zum anderen offensichtlich Gefallen daran gefunden haben. Da der 99er nicht in der Garage sondern auf den Straßen sein Leben austoben soll, sieht man sich vielleicht irgendwann irgendwo. Vielen Dank für die ansprechenden Kommentare, das hat mich sehr gefreut. Herzliche Grüße.
Schön geschrieben und tolles Auto, Glückwunsch.
So hätte ich mir das auch vorgestellt für meinen 99iger, dieser war ziemlich müde, das Getriebe zu lang.
Auch überwiegt meine Liebe zu den 96igern und er wurde letztlich verkauft.
Einfach genial
Ist toll geschrieben und gut gemacht. Spätestens beim Blick auf das letzte Bild (Rücksitzbank mit Decke) wird klar, wie symbiotisch und fruchtbar ein Blog-Abo mit Zugang zum Shop und eine gelebtes Faible für Saab sind …
Das harmoniert und der Turbo im leichten 99 hormoniert wahrscheinlich sogar?
Allzeit viel Spaß, gute Fahrt und vielen Dank für die gute Story!
Danke für diesen sehr besonderen (in vielen Facetten) Bericht. Großartig!
Hätte nicht gedacht das es möglich ist, aus einem 101PS SAAB 99 einen SAAB-Turbo 99 zu zaubern. Irre.
Den Fahrspaß kann ich mir denken und gut vorstellen… Die Farbe des SAAB ist allerdings die Krönung. Und das im positiven Sinne. Unglaublich retro, schick.
Weiterhin viel Freude mit diesem besonderen SAAB!
In Skandinavien sind solche Modifikationen/Modernisierungen/Upgrad’s Gang und Gäbe.
Von den letzten Basis-99er der Modelljahre ’82-84 wurden etliche gar auf 2.0-tu-16v Antrieben umgebaut. Einerseits weil ab H-Motor der nötige Platz ohne grossen Umbauaufwand vorhanden war und andererseits zum Glück viele 99er, z.T. noch aus erster Hand, gut erhalten waren. Am kommenden Festival in Trollhätten werden bestimmt wieder ein dutzend solcher Umbauten anwesend sein, wie es bei jedem vergangenen Festival jeweils der Fall war! Sofern äusserlich kein auffallender extremer “Tuning-Fremdumbau” ersichtlich ist, kann ein klassischer 99er der letzten Generation mit Original-Zubehör (das anpassen des Fahrwerks und der Bremsanlage des Turbo) schlicht und einfach liebevoll umgebaut, sowie der höheren Leistung angepasst und dementsprechend auch als “saab-würdig” erachtet werden. Zudem passt sich diese damalige starke Leistungssteigerung (von den ursprünglichen 100 auf 145 oder gar 175PS), der heutigen beinahe als Standard Fahrzeugmotorisierungsleistungen, gut an.
Hatte Mitte 80er Jahre in meinem Fahrzeugpark ebenfalls einen solchen 2-türigen 99er mit dieser Farbe, dessen ursprünglich eingefleischter 99er Besitzer, im nachhinein doch noch entschlossen hatte auf dem 901er umzusteigen. Als Liebhaber der blauen Farbe, fand ich diese Karosserievariante passend, in Kombination mit dem blauen Interieur, um keinen unpassenden Kontrast zu bilden, was der damalige 70er Mode entsprach; wobei ist immer wieder Geschmacksache. Jedoch scheiterte der damalige Wiederverkauf gerne an dessen Farbe, bis eine angelernte Saab-Fahrerin, dank ihrer familiären Saab-Leidenschaft, lediglich ein Modell 99 suchte, egal welche Farbe, Hauptsache sie war “Happy”. Und der guterhaltene 99er kam zum Glück wieder in “eingefleischte” Saab-Händen.
Betreffend der Farbe ist zu erwähnen, dass damals hell- und mittelblau eher als unbeliebte Modefarbe angesehen war; obwohl fast jeder mit modische blaue Jeans rumlief und die blaue Farbe der Renner war! Unter anderem auch dieses mittelblaue “Azure-Blue” mit nr. 116B (vom Hersteller BECKERS), die nur kurze Zeit im Angebot blieb, da in der Tat unter der Saab-Kundschaft anscheinend eine eher geringe Nachfrage vorhanden war. Seine noch hellere Nachfolgerfarbe “Zircon-Blue” unter der nr. 157B, war leider noch erfolgsloser und schlussendlich nur auf wenige Märkte als modell 90+901er erhältlich, war interessanterweise in Skandinavien lediglich auf Basismodelle zu finden. Die allgemein meist eher erfolglosen hell- bis mittelblaue Karosseriefarben (wie B7-Middle-Blue, B9H-Astral-Blue, B10H-Laguna-Blue, 137B-Aqvamarin-Blue-met. sowie 215H-Ultramarin-Blue), waren schon damals nicht zu vergleichen mit der Nachfrage von den verschiedenen dunkelblauen Farbvarianten (B8-Carolina-Blue, 136H-Midnight-Blue, 131H-Admiral-Blue, 198G-Embassy-Blue am längsten und erfolgreichsten im Angebot, 229H-LeMans-Blue-met.) die mit besserem Erfolg praktisch durchgehend im Angebot vorhanden waren, indem eine Farbe mit Erfolg die andere ablöste. Bei uns in Europa war dunkelblau der Typen 198+229 interessanterweise vor allem in mittleren bis südlichen Ländern gefragt.
Bedeutend gefragter waren während den 80ern erstaunlicherweise die metallisierte Ausführungen “117H-Platinum-Blue” (war eher ein silberblau, aber wurde unter hellblau eingestuft) sowie die schieferblaue “112B-Slate-Blue” Farbe (mittel bis leicht dunkelblau). Letzteres war im Jahre ’84+85 sogar als 2-farbige Luxus-Version nr. 195 in Schieferblau mit Silber im Angebot; anfänglich nur als Sonderedition mit beigem Leder-Interieur vorgesehen und daraufhin auch auf Bestellung mit Velour-Interieur zu haben. Ja, dies sogar für den Saab-99, obwohl die Kundschaft gar keine Kenntnisse davon hatte, weil nur wenige bis kleine Händler dafür Werbung machten; eine echte Seltenheit.
Aber dieser Erfolg der hell-/mittelblauen Karosserie-Farbe dauerte nicht lange, denn seine Nachfolger-Farben 220G(Glasurit)+220H(Herberts)+224(nur 9k)-Iridum-Blue-met. (es gab kurzfristig verschiedene Hersteller vermutlich wegen tech.Rezepturproblemen, man wollte nicht darüber sprechen, aber im nachhinein stellte sich einiges heraus) sowie 234H-Nocturne-Blue-met. hatten ebenso wenig Erfolg.
Mit der nachfolgende moderneren Fahrzeugmodellpalette, wurde die blaue Farbe immer wieder als kurzfristige Modefarbe behandelt, ausser erstaunlicherweise die dunkelblaue 198-Ambassador-Farbe, die sich gerne wie weiss, schwarz oder rot als Standardfarbe längerfristig etablierte!
Ob allgemein die Namensgebung einer Farbe auf gewisse Märkte einen käuferkräftigen Einfluss haben kann?
Einige Verantwortlichen des damalig italienischen Saab-Importeur SidAuto teilten jedenfalls diese Philosophie als kommerziellen Erfolg anhand ihrer Beispiele; da schon länger gute Zusammenarbeit mit Trollhättan in der norditalienischen Automobilindustrie herrschte, nicht nur in Bezug auf dem Projekt 9k mit Fiat/Lancia, sondern bereits bestehender Ersatzteileproduktion für 99/901-Teile, wo sie vieles beisteuerten. U.a. wurden einige dessen Vorschläge in der Tat umgesetzt und eingeführt, damals am bekanntesten wohl die Namensgebung des “Odoardo-Grau” (auf Englisch “Edwardian-Grey”), was nicht direkt einer Farbebenennung entspricht, sondern lediglich die “Lieblingsfarbe” des damaligen Verantwortlichen Saab-Tunin war und dessen eigener Name er unbedingt beisteuern wollte, was vom Saab-Werk kommentarlos akzeptiert wurde. Er muss im richtigen Moment den rechten Riecher gehabt haben, denn für Ihn es war prompt ein Erfolg, der zu jener Zeit der Modenachfrage entsprach. Viele wollten es anfänglich nicht direkt war haben, aber haben schlussendlich doch davon profitiert.