Das Saab 9X Concept (2001) – das vier in eins Auto
Bei Saab pflegten sie immer einen speziellen Blick auf die Dinge. Wer eines der Autos aus Trollhättan erwarb, der bekam viel mehr als bei anderen Herstellern. Ein Saab konnte Vieles sein. Ein Sportler und Transporter oder ein Familienauto und Geschäftswagen in einem. Überraschend vielseitig waren die Kreationen fast immer, wenn man sich auf sie einließ.
Genau hier setzte 2001 das 9X Concept an.
Es entstand in einer widersprüchlichen Zeit. Saab hatte einen neuen Chef bekommen, der zuvor Manager bei Volvo gewesen war. GM nahm immer mehr Einfluss auf die Marke. Entlassungen und strikte Kostenkontrolle erschütterten das Unternehmen in den Grundfesten. Gleichzeitig leistete man sich kostspielige Eigenentwicklungen und Studien. Es entstand das 9X Concept.

Bis zum Saab 9-5 OG in seiner Urversion war das Design eine sehr interne Angelegenheit. Die Abteilung war überschaubar, das komplette Projekt des alten 9-5 erledigten gerade einmal 10 Mitarbeiter, von denen nur 2 fest angestellt waren.
Der Rest arbeitete auf Zuruf. Das alles änderte sich mit der Übernahme aller Anteile an der Saab Automobile AB im Jahr 2000. Fremde Designer brachten neue Ideen – und eben Studien.

Das Saab Advanced Styling Center
Unter der Leitung von Chef Designer Anthony Lo gingen 10 Designer in Trollhättan an die Arbeit. Im Team befand sich auch der heutige Porsche Designer Michael Mauer, der bis 2004 in Schweden blieb. Für die Concept-Cars gründete man das Saab Advanced Styling Center. Angemietet wurde dafür eine Halle am Göta Älv, die zuvor NOHAB als Motorenwerkstatt gedient hatte. NOHAB geht zurück auf die 1847 gegründete Trollhättans Mekaniska Verkstadt und ist als Produzent von Turbinen, Lokomotiven und Flugmotoren eine der Wurzeln von Saab.
Bezeichnend für die Ereignisse war der Weggang vom Werk, in den folgenden Jahren wurde immer mehr Designkompetenz verlagert, und was im Jahr 2001 geschah, war nur der Prolog.
Der Auftakt zu einer Serie von Studien
Das Saab 9X Concept wurde die erste Studie in einer Reihe von aufregenden Entwürfen. Leider ist sie in der Gegenwart die am wenigsten beachtete, dabei ist sie so überraschend. Anknüpfend an das Selbstverständnis der Marke, dass ein Saab mehr sein sollte als nur ein Fahrzeug, konzipierte das Team ein vier in eins Auto.
Vier Autos in einem, wie soll das gehen? Mit der Freiheit der Studie im Rücken geht einiges. Fällt auch noch der Zwang der Alltagstauglichkeit, dann ist ein ganz wildes Ding machbar. Genauso passierte es in den historischen NOHAB Hallen. Ein Coupe, ein Roadster, ein Pickup und ein Kombi entstanden in einem Konzept.
Die Ladefläche war ausfahrbar, sie bot dann den Nutzwert eines Kombis oder Pickups. Wie bei den amerikanischen Pickups konnte zusätzlich der untere Teil der Ladeklappe als Tailgate umgeklappt und als eine verlängerte Transportfläche genutzt werden. Oder als Partyfläche für milde Midsommar Nächte. Mit offenem Dach wurde der 9X zum schwedischen Roadster; blieb er geschlossen, fuhr man ein Coupe.
Die Flugzeugkanzel als Designobjekt
Um die Wurzeln des Flugzeugbauers zu betonen, wurde die Frontscheibe in einem weiten Bogen geführt. Der Eindruck einer Flugzeugkanzel entstand. Vervollständigt wurde die Flugzeug DNA durch extreme Schalensitze, die das Design von Pilotensitzen aufnahmen. Für den Antrieb zuständig war ein aufgeladener V6 Motor mit 3 Litern Hubraum und 300 PS Leistung.
Der Allradantrieb sorgte für Traktion. Wäre der Saab 9X in Serie gekommen, er wäre ein wilder Sportwagen gewesen.
Innovative Lichttechnik der Scheinwerfer und im Innenraum verstärkte den futuristischen Eindruck noch. Entworfen wurde das 9X Concept in Trollhättan. Hergestellt wurde es in Handarbeit bei Bertone in Italien. Warum man nicht den eigenen Prototypenbau beauftragte, ist unklar. Ein Fragezeichen mehr die damalige Zeit betreffend.
Auf der IAA und der Tokyo Motor Show wurde das Concept der Öffentlichkeit vorgestellt. Es nahm die Front des neuen 9-3 voraus, brachte das Designsymbol der Pilotenkanzel zurück zur Marke.
Das Buch zum Saab 9X Concept
Für Journalisten und Freunde der Marke brachte Saab damals ein aufwändig gestaltetes Buch heraus. Der Einband besteht aus echtem Reifenprofil, die Seiten sind mit verschiedenen Materialien sündhaft teuer ausgeführt. Die Kosten dafür dürften immens gewesen sein.
Das Buch ist heute noch im Shop des Saab Museums bestellbar. Für ein erschreckend kleines Geld. Was man wohl damit erklären kann, dass das 9X Konzept im Gegensatz zu anderen Studien weitgehend vergessen ist.
Auf der IAA 2001 konnte ich mich an dem Fahrzeug nicht satt sehen. Der 9-X muss auch im historischen Kontext gesehen werden. Nicht lange vorher sorgte ein Audi TT für Aufsehen und es gab wenig Konkurrenz dazu. Da fuhr ein BMW Z3 Coupe herum oder im weitesten Sinne gab es in der Dimension noch Porsche Boxster und Mercedes SLK. In diese prestigeträchtige Lücke zu fahren wäre toll gewesen.
“offener Kombi” das wäre ja mal wieder eine Fahrzeugkategorie, aber bestimmt mal als Lifestyle -Fahrzeug wie immer seiner Zeit voraus gewesen…
Auf die Gefahr hin,
hier standgerichtlich gleich abgeschossen zu werden, muss ich den Vorrednern widersprechen.
Diese Studie braucht kein Mensch – zumindest nicht in Serie. Als (Design-) Studie und Brainstorming sieht es gänzlich anders aus. Für Saab war das Projekt sicherlich wertvoll und Teil der Lernkurve, der Evolution, eine Entscheidungshilfe für die Geschäftsführung. Aber will ich den als Kunde genau so und nicht anders?
Ich hätte ja viel lieber eines der letzten in Serie oder Vorserie realisierten Modelle, als diesen X.
Sieht beim AeroX gänzlich anders aus, aber der scheint mir auch deutlich seriennäher gedacht. Als hypothetischer Sportwagen, der so oder so ähnlich tatsächlich hätte kommen können …
Das All-in-one des X ist vielleicht ganz einfach der Versuch, in einer einzigen Studie etwas über unterschiedliche Fahrzeugtypen lernen zu wollen? Das wäre gelungen, denn der X strotzt mit Chancen und Limitierungen so sehr, dass sich tatsächlich für jeden Fahrzeugtyp wichtige Erkenntnisse aus ihm ziehen lassen.
Immer wieder traumhaft schön diese Studie und leider mindestens auch genau so traurig …
Eindach typisch SAAB – kein motorisierte Einheitsbrei ….
Hätte hätte Fahradkette 🙁
Hätten sie bitte bauen sollen – mehr fällt mir dazu nicht ein.