Saab und die Sechszylinder – Gerüchte und Wahrheiten (1)
Saab und der Sechszylinder. Eine Beziehung, die nie ganz einfach war. Der erste Sechszylinder zog ab 1993 in den 900 II und den 9000 ein. Ein GM Aggregat, was der Motorisierung schnell den Ruf einbrachte, auf Druck der Amerikaner von den Schweden zwangsadoptiert worden zu sein.
Seitdem fremdeln die Fans mit diesen 6-Töpfen, was bedauerlich ist. Denn angefangen vom 9000 bis hin zum 9-5 NG waren die Motoren stets angenehme Antriebe. War es wirklich der Druck aus Detroit, der Saab veranlasste, Sechszylinder in das Programm zu nehmen? Eine Spurensuche, die verbunden ist mit dem Aufräumen mit Vorurteilen.

Der Markt in den 80er Jahren
In Göteborg hatte man einen Sechszylinder, in Trollhättan nicht. Fakt ist: Wer in der Oberklasse ein Lied spielen wollte, der musste mindestens schon 6-Töpfe unter der Haube haben. Volvo hatte sich 1971 dem Konsortium von Peugeot und Renault angeschlossen, das 1974 den als Europa V6 bekannt gewordenen PRV Motor auf den Markt brachte. In Deutschland bauten Daimler und BMW aus Tradition famose Motoren mit vielen Zylindern, und in Nordamerika war an Oberklasse ohne einen großzügig verteilten Hubraum mit V6 oder besser V8 gar nicht erst zu denken.
Auch Japan drängte mit Sechszylindermotoren auf den Markt, und in Trollhättan erkannte die Automobildivision der Saab AB den Handlungsbedarf. Jahre vor dem Einstieg der Amerikaner am Göta Älv.
Falsch ist daher, dass GM Saab den Sechszylinder in das Modellprogramm drückte. Das Gegenteil ist der Fall, denn bei Saab suchte man seit 1986 aktiv nach einer Lösung mit mehr als 4-Zylindern. Den Bedarf sah man 1985, als die erste 9000 Generation von den Bändern rollte.
Die Saab Oberklasse braucht Sechszylindermotoren
Mit dem Start des ersten Oberklasse-Saabs gab es neue Motoren mit 4 Zylindern und 2 Litern Hubraum. Die kamen aus dem Werk in Södertälje, zu diesem Zeitpunkt die vermutlich modernste Motorenfertigung der Welt. Rasch erkannte die Geschäftsleitung die Nachfrage nach mehr Hubraum, die Entwicklung des 2,3 Liter Motors mit Ausgleichswellen begann kurz nach der Einführung des 9000. Der später unter der Bezeichnung B234 eingeführte Motor wurde zum Erfolg und zur Legende. Manche sehen in ihm den besten Saab Motor aller Zeiten.
Während der vergrößerte Vierzylinder für Europa die passende Lösung darstellte, rief der wichtige Markt in Nordamerika nach noch mehr Hubraum und vor allem mehr Zylindern. Motoren mit 6 oder 8 Zylindern waren in der gehobenen Klasse Pflicht, Saab sah in dem Verzicht auf Sechszylinder Antriebe einen drohenden Verlust von Marktanteilen.
Aus diesem Grund startete man 1986 in Trollhättan die Suche nach einem passenden Motor. Kent Gustafsson und Stig-Gösta Johansson aus der Motorenentwicklung wurden beauftragt, verschiedene Antriebe auf die Einbaumöglichkeit in den 9000 und die Tauglichkeit für den US-Markt zu testen.

Nur, woher sollten die Motoren kommen? Nicht jeder Hersteller war gewillt, mit den Schweden zu kooperieren. Und auch die Liste möglicher Antriebe war überschaubar. Saab setzte auf quer eingebaute Motoren und Frontantrieb, wodurch etliche Kandidaten automatisch ausschieden. Am Ende blieben Ford, Mazda und Alfa Romeo übrig. Dazu ein viertes Unternehmen, dessen Kooperation überraschend ist, schon weil man es in den späten 80er Jahren als Lieferant für sechs-zylindrische Motoren ausschließen kann. Eine Reise in die Vergangenheit der Marke, zusammengestellt mit Material der Saab Veteranen aus Trollhättan. Sie beginnt in Deutschland.
Der Kontakt zu den deutschen Ford Werken war schon immer gut. Der Ford V4 im Saab 96 rettete der kleinen Marke schon einmal das Leben, warum nicht noch einmal in Köln anfragen?
(Deutscher) Ford V6 Motor für Saab
Die Ford Werke in Köln stellten einen V6 Motor mit 2,9 Litern Hubraum her, der unter anderem auch im Scorpio im Einsatz war. Der Motor selbst ist aber eine betagte Konstruktion. Mit einer zentralen Nockenwelle ausgestattet basierte er auf der V4 Motorenfamilie, die bereits im Saab 96 zum Einsatz kam. Der Vorteil: Man hätte die Produktion des Motors übernehmen und ihn bei Saab-Valmet in Finnland weiter produzieren können.
Im Frühjahr 1986 wurde der Ford Motor von einem Unternehmen im niederländischen Hengelo in einen 9000 eingebaut. Erprobt wurde der Ford V6 mit der von Saab eingesetzten ZF Automatik im Großraum Hamburg. Dann ruhte das Projekt bis 1988, um, als die Schweden weitere Motoren erprobten, neu bewertet zu werden. Überzeugen konnte der Antrieb die Ingenieure nicht, der Konfiguration wurde lediglich eine akzeptable Fahrbarkeit bescheinigt.
(Amerikanischer) Ford Motor für Saab
Während der Ford V6 aus Köln antik und langweilig war, hatte Ford in den USA ein heißes Eisen im Feuer. Der SHO V6 war eine Entwicklung von Yamaha und basierte auf der Vulcan Motoren Familie. Das Kürzel “SHO” stand für Super High Output, und man merkt schon an der Bezeichnung, dass es damals einfach eine andere Zeit war. Zum Leistungsgedanken von Saab passte der Motor aber besser als das Aggregat vom Rhein. Dachte man sich in Trollhättan.
Variable Ansaugrohre, zwei obenliegende Nockenwellen, Zylinderkopf aus Aluminium. Das alles war im Jahr 1988 Hightech und revolutionär. Tatsächlich aber weigerten sich die Amerikaner, den Schweden Motoren zu verkaufen. Ein einziger Motor kam über Umwege mithilfe von Saab Partner American Sunroof Corporation (ASC) nach Trollhättan. Und dessen Einbau gestaltete sich schwierig.
Die Elektronik musste aufwändig angepasst werden, Ford beschritt offensichtlich gänzlich andere Wege als Saab. Aber, so vermerkte die Motorenwerkstatt, abgesehen von den Elektrikproblemen wäre der 3 Liter SHO V6 mit 223 PS der ideale Motor für den 9000.
Leistung, Fahrverhalten und Geräuschentwicklung entsprachen dem, was man sich erhoffte. Und optisch schön, auch ohne Plastikverkleidung, wäre der Motor auch gewesen, bemerkte man in Schweden.
Köln hatte Lust, den Schweden Motoren zu verkaufen, Dearborn aber nicht. Wie auch die Ford Zentrale keine Lust hat, Saab zu kaufen und lieber bei Volvo einsteigt. Aber da ist ja noch die japanische Hoffnung. Und Alfa Romeo. Und ein ganz anderes Unternehmen, das ehrgeizig unterwegs ist. Das hat zum damaligen Zeitpunkt eigentlich keinen Sechszylinder im Programm. Keinen, den Kunden kaufen könnten. Saab aber schon. Alles klar?
Die Fortsetzung mit dem 2. Teil der Saab Sechszylinder Geschichte finden Sie hier.
Was und wer es auch immer war …
Auf dem Wunschzettel der Turbotrolle dürften 3.0 L und 24V gestanden haben. Ein moderner und möglichst großer Sauger, der für konservative Journalisten und Käufer leichter zu verstehen ist, als der 2.3 im Aero …
Man könnte ja auch mal fragen, welche Motoren hätten denn relativ einfach in den 9000 hineingepasst?
Da sollten einem als erstes ja die Antriebe der technisch verwandten Modelle Fiat Croma, Lancia Thema und Alfa 164 in den Sinn kommen.
Alfa Romeo ist ja im Artikel schon erwähnt, der Croma hat den Sechszylinder erst in den 90-ern bekommen, wahrscheinlich aus dem Alfa 155, bleibt noch der Thema, der eine Variante des PRV-Motors besaß. Allerdings hat Lancia das Modell völlig problemlos und vermutlich sehr gern an Kunden verkauft, es passt daher nicht so recht zur obigen Beschreibung.
Den PRV-Motor hat es aber auch in diversen anderen Autos gegeben, z.B. im Renault 25, dort auch in einer Turboversion. Vermutlich wollte Saab für die USA aber gar nicht unbedingt einen Turbo und einen R25 V6 konnten Kunden auch problemlos erwerben.
Deshalb ist eigentlich auch Peugeot auszuschließen, die ja einige Modelle mit Varianten des PRV-Motors schon länger produziert haben. Andererseits hatte Peugeot ja Citroen übernommen und der XM sollte wieder einen Sechszylinder bekommen, den es bei Citroen länger nicht mehr gegeben hatte.
Mit Citroen statt Peugeot würde die Beschreibung ja schon irgendwie Sinn machen. Warum Saab Citroen statt Peugeot anfragte, wäre dann die nächste gute Frage.
Möglicherweise war Citroen für die Entwicklung der Motorversion mit 24 Ventilen verantwortlich (da avantgardistischer als die mit 12) und wenn Saab diese haben wollte, dann wäre Citroen der logische Ansprechpartner gewesen. Das ist jetzt aber nur eine Vermutung meinerseits, die ich nicht belegen kann. Allerdings würde sie zur Beschreibung im Artikel passen.
Entweder ist jetzt alles klar, oder es bleibt doch nur übrig, bis zur Auflösung im zweiten Teil zu warten 😉 .
Gab es bei den Sechszylindern nicht thermische Probleme (Diesel und Benziner) ?
Mazda! Saab hatte da Kontakte!
Keine Ahnung warum aber mir würde Suzuki einfallen……
Das Rätsel lässt mir keine Ruhe 🙂
Mein Vorschlag mit der Princess 2200 ist Quatsch gewesen. Einen 6-Zylinder mit ca. 102 PS hätte zwar genügend Drehmoment gehabt, wäre aber nicht wettbewerbsfähig gewesen.
Also was dann?
Der 6-Zylinder Boxermotor für die Citroen DS war zu früh dran, Walter Becchia konstruierte diesen Motor Anfang der 50er Jahre, leider erreichte dieser Motor nicht die Serienreife.
Der PRV 6-Zylinder war zumindest beim Renault 30 mit Frontantrieb gekoppelt, war aber nur bedingt konkurrenzfähig, trotzdem ein interessantes Fahrzeug.
Eventuell eine Umwandlung von einem V8 zu einem V6?
Auch kaum vorstellbar, hier wäre der Citroen SM mit dem Maserati-Motor – auch mit Frontantrieb – zu nennen.
Oder gar die Tatra 603 oder 613/700? Hier wäre auch eine Umwandlung von einem V8 zu einem V6 möglich – aber die finanziellen Mittel fehlten.
Tom erwähnte ein Unternehmen, dass ehrgeizig unterwegs war, aber – noch – keinen 6 Zylinder im Programm hatte. Dies könnte doch nur Audi mit dem Technik-Freak Ferdinand Piech gewesen sein. Mehr als einen 5-Zylinder Reihenmotor brachte man damals nicht im Audi 200 unter. Vielleicht bot der 9000 für einen offiziell bei Audi nie vorgestellten 6-Zylinder mehr Platz? Aber damit hätte sich Audi einen zusätzlichen, erstarkten Wettbewerber geschaffen…
Ich bin auf die Auflösung gespannt!
Ich hatte in meinem 9-3 SC einen 2,8 l 6 Zylinder von Holden. War ein super Motorchen. Leider hat es GM in der Zwischenzeit auch geschafft Holden zu Grunde zu richten.
Mein erster Gedanke war die Cosworth Version mit 24 Ventilen des Ford 2,9 V6. Cosworth hat vorher für Ford ja eher Vierzylinder gemacht oder Achtzylinder für die Formel 1. So billig wird der Cliffhanger aber wohl nicht sein.
Welchen Hersteller würde man denn in den 80-ern noch so gar nicht mit Sechszylindern in Verbindung bringen? Zum Beispiel Volkswagen.
Aber den an Oettinger weitergereichten Sechszylinder-Boxer halte ich für eher unwahrscheinlich und ob der Anfang der 90-er präsentierte VR6 bei anderen Herstellern in der zweiten Hälfte der 80-er schon bekannt war, ist auch fraglich.
Vergleichbares kann man für die von Audi zu Beginn der 90-er Jahre präsentierten V6-Motoren vermuten.
Bleibt die Frage, wer könnte es sonst gewesen sein? Irgendwo in meiner Erinnerung taucht ein Subaru SVX auf, der aber eigentlich auch ein Kind der 90-er Jahre ist. Googeln bringt allerdings einen Vorgänger namens XT zum Vorschein, den es als XT6 auch mit Sechszylindermotor in Nordamerika gegeben hat.
Wenn es also etwas ziemlich unwahrscheinliches sein soll, tippe ich auf Subaru als möglichen vierten Motorenlieferanten.
@ Uli Beitel,
das waren spannende Jahre im Fahrzeugbau. Allein die Diversität der unterschiedlichen Ansätze …
Vielleicht liegen Sie sogar richtig? In jedem Fall trauen Sie sich bislang als einziger eine Mutmaßung zu und sind somit per se näher an der Auflösung, als sonst irgendjemand.
Ich glaube trotzdem, dass Sie falsch liegen. Damals hielten etliche Erkenntnisse der Thermodynamik Einzug in den Motorenbau. Auch die 4-Ventiltechnik avancierte zum Standard. Unter dem Strich stand, dass ein Brennraum von 500 ccm je Zylinder im Verhältnis Hub = Bohrung ideal sei, wenn er sich gut befüllen lässt.
Näher kann man dem idealen Brennraum (eine Kugel) und der gegebenen Ausbreitung (-sgeschwindigkeit) des gezündeten Gemisches rein physikalisch gar nicht kommen …
Ein kleiner 6-Zylinder (unter 2,3 Liter), der thermodynamisch und hinsichtlich seiner Beatmung und Befüllung weit von den damals jüngsten Erkenntnissen und Möglichkeiten entfernt war, der nichtmal annähernd an die eigenen 4-Zylinder reichte, kann es hoffentlich nicht gewesen sein …
Gleichwohl hatten Britten und Italiener interessante Ansätze mit vielen Zylindern bei erstaunlich wenig Hubraum. Das waren wahrlich sehr feine Motoren.
Es gab in den 70er/80er Jahren ein hierzulande weitgehend unbekanntes Fahrzeug mit der Kombination aus 6-Zylinder Reihenmotor und Frontantrieb, den Princess 2200 (auch als 1800 mit Vierzylinder erhältlich).
Der Motorraum des Princess war groß genug, um diesen Motor ohne größere thermische Probleme unterzubringen (im Gegensatz zum 9-5, wo es beim V6 bei den hinteren drei Zylindern einen erheblichen Wärmestau gab).
Vielleicht war es dieser Hersteller, mit dem Saab damals in Kontakt trat? Damit würde sich wieder der Kreis zum Saab 99 schließen, bei dem der Motor auch in England entwickelt wurde…
Bin sehr gespannt auf den zweiten Teil der Geschichte…..An dem Ergebniss erfreue ich mich jedoch jeden Tag aufs Neue. Mein 902 Cabrio V6 Automatik ist auch nach 300k Kilometern ein Genuss. Kräftig. Unproblematisch. Mi einem wunderbaren sonorem Sound.
Es grüsst
Der Lizi
“Alles klar?”
Nö, nix ist klar. Ich bin gespannt und krumm, ein personifiziertes Fragezeichen und freue mich auf Teil zwei.
Hier eine kleine Ergänzung zur nationalen Konkurrenz. Volvo hatte vor WW II einen 3,6 Liter 6-Zylinder (in Reihe) quasi zum Standard. In den 1950er Jahren lebte dieser Motor in einer Limousine/einem Taxi und Fahrzeugen für das Militär fort. 3,6 Liter hatte auch ein jüngerer V8, der ursprünglich für ein PKW der Oberklasse gedacht war, aber nur in LKW zum Einsatz kam – tatsächlich also ein Benziner im LKW …
In Schweden ist dieser V8 ein begehrtes Objekt, und findet sich häufig in alten Volvo PKW. Aus der Perspektive derer stolzen Besitzer sind ihre (getunten) Oldtimer damit noch immer quasi im Originalzustand – nämlich dem idealisierten, der theoretisch damals mit verfügbaren Originalen Volvos und seiner Zulieferer möglich gewesen wäre.
Schließlich und letztlich wurde nach WW II als erster neuer Angriff auf die internationale Konkurrenz ein 3,0 Liter 6-Zylinder in Reihe und in Serie realisiert. Dieser war schon ein paar Jahre vor dem im Artikel erwähnten V6 auf dem Markt.
Aber es stimmt so oder so, dass Saab national und international unter dem Druck stand, dass großteile der Zielgruppe (potentielle Käufer) und der Multiplikatoren (Motorjournalisten) nicht reif für 4-Zylinder in gehobenen Fahrzeugen waren.
Ich liebe und hasse diese Spannungsbögen…
Könnte Teil 2 bald folgen…, bitte!
Ach ja, Audi hatte damals viel vor… und hat es ja geschafft in der sogenannten Oberliga, was immer das bedeutet und wie und was bewertet wird, zu landen. Damals waren es allerdings 5 Zylinder…
Wieder was neues gelernt. Danke.
Spannende Hintegrund Geschichte. Den Teil 2 könnte man doch vorziehen? Bitte 😉
Tom die “Werbepause” ist aber gar nicht nett
Will den Rest wissen und muss warten.
Wir werden die “Werbepause”mit anderen, interessanten Themen füllen. Die Zeit wird schnell vergehen 😉