Warum wir unsere russische Saab Seite online halten

In der Ukraine tobt der russische Angriffskrieg unvermindert, und ich habe keine Worte über das zu schreiben, was ich dazu empfinde. Russland erlebt in der Konsequenz eine noch nie dagewesene Welle von Boykotten und Sanktionen, aus Solidarität heraus zur angegriffenen Ukraine. Unsere russische Saab Seite ist aber immer noch online, und sie wird es auch bleiben. Auch, wenn wir am Anfang versucht waren, sie vom Netz zu nehmen. Denn es gibt gute Gründe, es nicht zu tun.

Saab verbindet - 9-5 NG mit russischer Flagge
Saab verbindet – 9-5 NG mit russischer Flagge

In Friedenszeiten, die unfassbar lange her erscheinen, kamen zwischen 10 und 15 % der Lesenden über die russische Seite. Saab hat im russischen Sprachraum treue Fans, so wie es sie auch in der Ukraine gibt. Auf internationalen Treffen standen Autos aus beiden Nationen oft Seite an Seite – von gegenseitigem Hass war nichts zu spüren.

Mit der russischen Aggression brach der Besucherstrom auf der russischsprachigen Seite plötzlich zusammen. Der Firewall Dienstleister zog die Mauern höher, die von einem US-Server gehosteten fremdsprachigen Seiten bekamen verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Nach einer Woche normalisierte sich der Besucherverkehr leicht, ohne jedoch die Zugriffszahlen der Friedenszeit zu erreichen.

Seitdem lesen nur noch geschätzt 5 % der Menschen, die hier vorbeischauen, den Blog in russischer Sprache. Und wir möchten die Seiten online lassen. Denn die russische Übersetzung hat bei genauem Hinschauen wenig mit Russland zu tun. Es kann sogar sein, dass man von Russland aus keinen Zugriff auf den Blog hat, denn auch Moskau hat das Internet in Richtung Westen dicht gemacht.

Die Auswertungen, die der amerikanische Server liefert, zeigen uns, dass in Westeuropa der Blog auf Russisch gelesen wird. Menschen, die irgendwo in der EU leben, die russische Wurzeln haben, und die Saab mögen. Soll man sie bestrafen und die Seiten offline stellen? Einige Lesende meinten das und haben uns Mails geschrieben.

Ich denke, das wäre der falsche Weg. Es wäre ein Weg der Ausgrenzung. Denn es ist kaum zu vermuten, dass russische Generäle oder der Herr des Kreml Saab affin sind. Es würde definitiv die Falschen treffen, und auf den internationalen Saab Veranstaltungen waren die russischen Besucher Fans und Enthusiasten wie wir alle.

Der Blog ist ein kleines Medium, das nur in der Saab Welt eine Rolle spielt. Doch ich war immer stolz darauf, dass die Saab Leidenschaft über sämtliche Grenzen hinweg verbindend war. Es wird auch wieder Zeiten nach Krieg und Leid geben. Dann muss das, was jetzt barbarisch zerstört wurde, neu aufgebaut werden. Und ich spreche da nicht nur von Städten und Häusern. Auch das Miteinander muss wieder geübt werden, man muss sich in die Augen sehen können und miteinander reden. Eine riesige Herausforderung  – denn es wird Jahrzehnte dauern, die Wunden zu schließen.

Was wäre da besser geeignet als ein persönliches Interesse, wenn es um ein kleine Automarke geht? Eine Banalität in dem großen Unglück, das wir jetzt erleben. Aber eine Brücke für die Zukunft, die wir mit der russischen Übersetzungsseite am Leben halten wollen und nicht einreißen. Auch, wenn es auf den ersten Blick angemessen erscheinen würde.

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André Timmerevers-Stöver
André Timmerevers-Stöver
2 Jahre zuvor

Hallo Tom
Auch von mir Daumen hoch für die Entscheidung.

Frank
2 Jahre zuvor

Wenn jemand ein Fan der Marke Saab ist, dann kann er doch kein schlechter Mensch sein, oder ?
Ich bin der Meinung, dass es die richtige Entscheidung ist, den russisch-sprachigen Blog nicht zu schliessen. Unsere russischen Saab-Freunde sind doch schon genug gestraft mit den Sanktionen gegen die Russische Föderation.

Zsolt Tottzer
Zsolt Tottzer
2 Jahre zuvor

Weise und tapfere Entscheidung! Herzlichen Glückwunsch dazu.

Peter Wintersteiger
Peter Wintersteiger
2 Jahre zuvor

Absolut richtige Entscheidung, Tom

markus rachinger
markus rachinger
2 Jahre zuvor

Ja,ja die Russen-sie haben allesamt mit dem Krieg nichts zu tun.Putin steht quasi alleine in der Ukraine.
Mehr noch: sie alle wissen auch nichts davon-alles Opfer der putinschen Desinformation.
Besonders aus Österreich hat es vor 77 Jahren genauso getönt und noch heute klammern wir uns an das Narrativ das wir doch die ersten Opfer des Nationalsozialismus gewesen sind.Und selbstredend stand damals keiner am Heldenplatz winkend bis zum Krampf im rechten Arm ,oder wusste gar vom Genozid an den Juden selbst wenn er in Mauthausen wohnte. Geschichte hat den fatalen Drang sich zu wiederholen, aber ob man in Zeiten globaler Information als Volk mit der gleichen Verantwortung durchkommt ,gesperrtes FB hin oder her ,möchte ich bezweifeln.

Volvaab Driver
Volvaab Driver
2 Jahre zuvor

Gut & richtig …

,dass Sie hier an die Eigenverantwortung erinnern. Sei es die deutsche, die österreichische oder die russische …

Und um so besser, dass dieser Blog seine russische Übersetzung nicht abschaltet. Nur so geht auch Ihr wertvoller und gültiger Gedanke auf russisch online. Es geht hier ja nicht darum, wem auch immer Freibriefe auszustellen. Wenn Russen oder russisch sprachige Personen hier solche Kommentare finden, sind Sie selbst und ganz allein schon Grund genug dafür, dass der Blog an der Übersetzung festhält …

Alter Schwede
Alter Schwede
2 Jahre zuvor

Kunst, Kultur, Sport und Leidenschaften für Automobile und eine ganze Menge mehr sind Verknüpfungspunkte für Freiheit und Demokratie. Das ist Putins Krieg, nicht der der Russen. Daher finde ich, die Hände sollten dem Volk immer entgegengestreckt sein und bleiben.

F. Weber
F. Weber
2 Jahre zuvor

Bravo! Ich habe russische Freunde, die verstehen nicht warum Putin dieses Verbrechen der Welt antut. Sie sind westlich orientiert, gut ausgebildet, reisen gerne und jetzt totunglücklich über das, was ihr Land gerade tut. Besonders wegen diesen Menschen, die in meinen Augen für die Mehrheit der Russen stehen, muss man Seiten wie diese online halten!

cab-micha
cab-micha
2 Jahre zuvor

Meine Zustimmung habt ihr!

Volvaab Driver
Volvaab Driver
2 Jahre zuvor

Bitte, bitte weiter russisch …

Jeder Mensch, der dieser Sprache mächtig ist, soll weiterhin Teil einer globalen, friedlichen und auch medial freien Gemeinschaft sein können und dürfen, wenn er oder sie es möchten …

Die Zensur überlassen wir Putin – zumal viele Ukrainer Russisch zur Muttersprache haben. Und dennoch fühlen sie sich als Ukrainer und streben nach Unabhängigkeit, Freiheit und Demokratie. Und auch sonst …
Auch sehr viele Russen streben nach Freiheit und Demokratie. Ein “Saabblog-Embargo” gegen Menschen, nur weil sie russisch sind oder sprechen?

Wer fordert so was? Warum und wem gegenüber muss man sich da im vorstehenden Artikel rechtfertigen? Das ist ja echt traurig. Hätte ich so nicht für möglich gehalten …

Selbstverständlich muss die Welt jede russische oder russisch sprachige Person mit offenen Armen empfangen, wenn diese Person lieber Teil einer globalen Welt und Gemeinschaft sein möchte, als
nach Putins Gnade nationalistisch gesonnen zu sein.

Mich irritiert und echauffiert, dass man es auch anders sehen kann. Mir ist der Artikel dann auch fast ein wenig zu devot. Es bedarf keinerlei Rechtfertigung, hier auch russisch zu bloggen.

Ist gut und richtig. Bitte weiter so …

Volvaab Driver
Volvaab Driver
2 Jahre zuvor
Reply to  Volvaab Driver

P.S.
Ist Euch übrigens mal aufgefallen, dass es jenseits von Öl & Gas keine nennenswerte zivile Industrie in Russland mehr gibt?

Die hatten mal alles. Pkw, Passagierflugzeuge, Schiffe vom Eisbrecher bis zum Kreuzfahrer, Lkw, Eisenbahn whatever …

Da ist heute nix mehr. Gar nichts. Aber die Waffen sind topp. Hyperschallraketen, die der “Westen” nicht verteidigen kann. Prestigeprojekte wie die Raumfahrt sind auch kein Problem. Aber wehe, Du hättest gerne einen simplen Pkw.
Finde den Fehler …

Zeige mir Deine zivile Industrie und ich vergleiche sie mit Deiner militärischen. Und dann weiß ich, welch Geistes Kind Du bist. Psychologen sind sich da längst einig. Putin ist auf dem Weg zu einem erweiterten Suizid. Der Mann ist psychisch krank, möglicherweise auch physisch bereits als unheilbar diagnostiziert, was in Russland aber niemand wissen darf …

Ist auch alles ganz egal oder auch nicht. Fest steht aber, dass niemand unser Feind ist, nur weil er oder sie russisch zur Muttersprache hat. Alles auch nur Menschen wie Du und ich, die im Dialog bleiben sollten und müssen ….

E-Mails, die ganz genau jetzt nach sprachlicher oder gar völkischer Distanz rufen, kann man auch ohne Begründung oder Rechtfertigung getrost ignorieren. Gleichwohl ist es gut und richtig, da dennoch um Verständnis zu werben. Hut ab …

Je mehr Menschen sich nach dem Krieg auf einer Seite finden, desto besser. Ziemlich cool und weitsichtig, wie der Saabblog da agiert. Hut ab!

Zsolt Tottzer
Zsolt Tottzer
2 Jahre zuvor
Reply to  Volvaab Driver

Wusste gar nicht dass Lada, Iliushin, Tupolev,Yakovlev usw. die Fertigung eingestellt haben. Danke für die Aufklärung!

Volvaab Driver
Volvaab Driver
2 Jahre zuvor
Reply to  Zsolt Tottzer

Sagen wir es mal so, nix davon spielt auf dem Weltmarkt eine Rolle. Tupolew gehörte einst zu den größten Flugzeugherstellern der Welt und war fleißig im Export …

M. W. haben sie aktuell kein Lang- und kein Mittelstrecken-Flugzeug in Produktion/am Markt. Langstrecke zuletzt 2013 und nur 30 insgesamt gebaute Maschinen. Alle in russischer Hand. Selbst China kauft bei Boeing und Airbus. Wenn die zivile russische Luftfahrt nicht tot ist, dann zumindest schwer komatös.

Volvaab Driver
Volvaab Driver
2 Jahre zuvor
Reply to  Zsolt Tottzer

Ich muss das hier nachtragen, weil es wichtig ist – insbesondere für die russischen Leser und die russische Bevölkerung, die der Blog aus gutem Grund nicht ausklammert.

Zu Zeiten der Sowjetunion hatten Wissenschaft und Industrie ein hohes internationales Ansehen. Der Maschinen- und Anlagenbau sowie der Fahrzeugbau waren echte Exportschlager. Passagiermaschinen sind nicht nur zu 30 Exemplaren für einen ausschließlich nationalen Markt, sondern zu 1.030 Stück für Asien, Europa, Afrika und Südamerika produziert worden …

Und selbst der “Klassenfeind” im westlichen Europa schätzt die Produkte und Leistungen bis heute. Da gibt es Fangemeinden für den Lada Niwa, der 1977 ein sehr modernes Auto war. Da gibt es frei verfügbare Statistiken, die sowjetischen Passagiermaschinen bescheinigen, dass sie gut und sicher, dass sie pro 1.000 gebauten Exemplaren signifikant seltener verunglückt sind, als die “kapitalistische” Konkurrenz …

Quo vadis, Russland?

Dein Volk ist groß. Deine Wissenschaftler und Ingenieure, Künstler und Intellektuelle sind definitiv nicht dumm. Mütterchen Russland hätte das Zeug gehabt, zivil und wirtschaftlich eine Macht zu werden, bzw. zu bleiben.

Die politische Führung hat andere Prioritäten gesetzt – rein strategisch und strategisch rein militärisch. Jetzt droht Russland der Brain-Drain. Wer friedlich gesonnen und ein heller Kopf ist, hat keinen Bock darauf, Bürger einer solchen Nation zu sein. Da sucht man lieber Asyl und geht ins Exil. Und das passiert ja auch. Was ich aktuell vermisse, ist ein öffentlich ausgesprochener Flüchtlings- und Willkommensstatus für die Russen selbst. Wer sich einer kriegsführenden Nation nicht mehr zugehörig fühlt, sollte diese so schnell, einfach und unbürokratisch wie irgend möglich verlassen können und dürfen.

Andreas Hau
Andreas Hau
2 Jahre zuvor

Hallo Tom,
ich halte diese Entscheidung für absolut richtig.

Christian Arndt
2 Jahre zuvor

Ich teile Deine Ansicht ausdrücklich!

redNine-three
redNine-three
2 Jahre zuvor

Hallo Tom, du kannst dir Gewiss sein, dass deine Entscheidung richtig ist. Mit Blick auf andere Maßnahmen gegen Athleten etc. muss man sich immer die Frage stellen, wen die Sanktionen eigentlich treffen und ob das jemanden im Kreml juckt.