Borgward ist zum Glück nicht überall – wie das MG Comeback funktioniert

Die Lesenden wissen von meiner Affinität zur Marke MG. Ein Roadster aus dem Jahr 1971 legte den Grundstein, er begleitete mich eine lange Zeit. Die jugendliche Bindung zur Legende aus Abingdon wurde ich nie ganz los, seit einigen Monaten läuft das Comeback in Europa. Ein nicht unspannende Geschichte. Denn, haben Legenden eine Chance, wenn sie zurück auf die Bühne streben? Bei Borgward funktionierte es nicht, wie wir heute wissen. Bei MG schon, wie man mit Respekt feststellen darf.

Das Comeback von MG läuft. Jetzt kommt der Marvel R.
Das Comeback von MG läuft. Jetzt kommt der Marvel R.

MG startete in Europa vor zwei Jahren. Langsam und verhalten, wobei man wissen muss, dass die Marke in ihrer englischen Heimat nie komplett verschwunden war. Irgendetwas von MG gab es fast immer zu kaufen. Mal montierte man auf der Insel Fahrzeuge, die als Bausätze aus China kamen. Oder es gab reine Importe und nebenbei konnte man “echte” MG Neuwagen erwerben. Ambitionierte Unternehmen in Großbritannien verwenden alte Fahrzeuge als Basis, bauen neue Technik ein und bringen die Evolution als Kleinserie auf die Straße. Ein MGB hat dann 300 PS, ein GT als Tourer etwas mehr als 200.

Flaggschiff: MG Marvel R Electric
Flaggschiff: MG Marvel R Electric

Tot jedenfalls war die Marke noch nie.

Daher erstaunt es wenig, dass die Insel nach wie vor der Hauptmarkt von MG ist. In den ersten 9 Monaten 2021 konnten im vereinigten Königreich 22.932 Neuwagen mit dem Oktagon verkauft werden. 14.288 fanden den Weg auf den europäischen Kontinent und das Wachstum im Jahresvergleich betrug fast 100 %. Besonders erfolgreich marschiert die Marke auf dem Festland mit einem Wachstum von 215 %.

Display der Mittelkonsole MG Marvel R Electric
Display der Mittelkonsole MG Marvel R Electric

Ein ganz einfaches Rezept.

MG macht beim Comeback alles richtig und folgt einem ganz einfachen Rezept. Das Vertriebsnetz wächst rasch, im Sommer hatte die Marke in Deutschland schon 50 Vertriebsagenten unter Vertrag. Bis zum Jahresende sollen es 100 sein, die Hürden für den Einstieg hält die Marke niedrig. Für einen kleinen 5-stelligen Betrag darf der Partner das MG Oktagon an der Fassade befestigen, dafür gibt es bei den Premium Marken noch nicht mal einen Satz obligatorischer Bodenfliesen.

Die Margen für den Agenten, alle Verträge schließt MG selbst mit dem Kunden, sind attraktiv. Das Geschäft ist ohne Risiko, da der Agent nur als Vermittler auftritt.

Innenraum des Marvel R
Innenraum des Marvel R

Transparente Preise, keine Rabatte, aggressive Leasingraten.

Die Preisgestaltung ist einfach. Es gibt eine überschaubare Zahl von Farben und Ausstattungslinien und Batteriekapazitäten. Die Preise sind transparent, die Bestellung kann online abgegeben werden, die Auslieferung erfolgt über einen MG Agenten. So geht Automobilverkauf im Zeitalter der mobilen Endgeräte.

Interessant sind die Leasingraten, die bei Elektroautos eine größere Rolle spielen als beim traditionellen Verbrenner. In der letzten Woche stellte MG den Marvel R Electric vor. Ein SUV im attraktiven Design, das es auf Wunsch mit Allrad und einer Reichweite von bis zu 402 Kilometern gibt. Die Leistung des Einstiegsmodells mit Hinterradantrieb beträgt 180 PS, die Spitzenversion bringt 288 PS auf vier angetriebene Räder.

Ein rein elektrischer Kombi von MG belebt das Marktsegment
Ein rein elektrischer Kombi von MG belebt das Marktsegment

Natürlich ist schon in der Grundausstattung eine Wärmepumpe an Bord und der Marvel R Electric kann andere Elektroautos oder Endgeräte mit Strom versorgen. Eine Innovation, für die sich Sono Motors übrigens vor Jahren feiern ließ. Leider ohne bisher das dazugehörige Produkt auf die Straße zu bringen.

Die Preise für den stylischen MG Marvel R beginnen in Deutschland ab 42.990,00 €. Aggressiv sind die Leasingkonditionen. In Schweden, wo das Preisniveau etwas höher liegt, kostet der Marvel R umgerechnet 360,00 € im Monat für einen Privatkunden. Das sind mehr als 100,00 € weniger, als vergleichbare Modelle aus dem VW Konzern kosten.

MG5 Electric Innenraum (Vorserie)
MG5 Electric Innenraum (Vorserie)

Ein elektrischer Kombi zum Kampfpreis.

Dass MG erfolgreich weiter marschieren wird, ist so gut wie sicher. Als nächstes Modell erscheint der MG5 Electric. MG wagt sich damit in ein Marktsegment, das so gut wie verwaist ist. Elektrische Kombis gibt es nicht, die Masse der Hersteller setzt auf SUV.

Die Rechnung könnte aufgehen. Denn der MG5 ist ein Elektroauto, das aufgrund seiner Werte manchen ins Grübeln bringen könnte. Die 61.1 kWh Batterie soll eine WLTP Reichweite von 400 Kilometern ermöglichen, später folgt eine kleinere Batterie mit 50.3 kWh, die für 320 Kilometer gut sein soll.

Der MG5 Electric kommt 2022 nach Deutschland
Der MG5 Electric kommt 2022 nach Deutschland

Der Laderaum bietet 420 Liter, durch Umklappen sollen es knapp 1.400 Liter sein. Der Preis für den Kombi ist aggressiv, er soll Anfang 2022 für unter 30.000 € auf den Markt kommen.

Wie die Dinge in Zukunft laufen werden.

Hinter MG steht SAIC, der größte Autohersteller aus der chinesischen Volksrepublik. MG zeigt sehr deutlich, wie die Dinge in der Zukunft laufen werden. Während Volkswagen träumt, in Zukunft alle 16 Wochen Updates an die Kundschaft zu verteilen, und sich dabei als Visionär schätzt, ist anderswo die Taktrate höher.

In Schweden gehört der MG ZS zu den Fahrzeugen, die ganz vorne bei den Zulassungen zu finden sind. Manchmal noch vor Volvo und Volkswagen, falls man genug Fahrzeuge geliefert bekommt. Damit das bleibt, werden jetzt die Reichweiten erhöht. 440 Kilometer leistet die Long-Range Variante, ein 11-kW-3-Phasen-Bordladegerät sorgt für kürzere Ladezeiten und das MG iSmart aus dem neuen MG Marvel R für mehr Konnektivität. Verbesserungen an Hard- und Software gibt es nicht mehr nach Modelljahren. Sie kommen immer schneller.

Nicht mehr aus Abingdon – egal?

Natürlich ist es für den Erfolg hilfreich, dass MG niemals komplett tot war. Die Marke hat weltweit eine enorme Fangemeinde, klassische MG sieht man auf jedem Oldtimer Treffen und im Straßenverkehr. Außerdem hat SAIC bisher stets der Versuchung widerstanden, das heilige Oktagon, das Erkennungszeichen von MG, grundlegend zu modernisieren. Es sieht immer noch so aus wie 1971, als mein Roadster produziert wurde.

Facelift und mehr Reichweite für den MG ZS
Facelift und mehr Reichweite für den MG ZS

Aber, MG baut keine Autos in Abingdon mehr. Wahrscheinlich nie mehr. So wie Polestar eine rein chinesische Marke ist, die (aktuell) nur in China produziert, so ist es auch bei MG. Natürlich kommen mittlerweile Fahrzeuge von Volvo und BMW und aus dem PSA Konzern aus China, ohne dass es jemand bemerken würde.

Autos, und vor allem mobile Endgeräte, sind globale Verfügungsmasse geworden. MG ist trotzdem, oder vielleicht auch aus diesem Grund erfolgreich. Ein Comeback kann funktionieren, Borgward ist zum Glück nicht überall.

Was wäre mit Saab? Wenn sich jemand die Lizenz sichern würde, in China produzieren lassen würde, und dann ein Comeback in Schweden und Europa versuchen würde? Borgward oder MG? Würde ein Comeback funktionieren?

Mit Bildmaterial von MG Deutschland

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bergsaab
bergsaab
2 Jahre zuvor

vom design her finde ich die hengchi sogar besser…..

James Elsener
James Elsener
2 Jahre zuvor

Totgesagte leben länger oder so ähnlich heisst der Satz.

Und es gäbe mit der Schweizer Emil Frey Holding sogar eine Vertriebsgruppe, welche so etwas europaweit stemmen könnte.

Trotzdem glaube ich nicht, dass sich SAAB als Marke mit Elektroautos, die in China entwickelt und gebaut werden, wieder beleben lassen würde.

Elektroautos unterscheiden sich zu wenig von einander, dass sich ein SAAB als solcher erkennen liesse.

Es sind halt doch einfach nur Smartphones auf vier Rädern, deren technische Plattform einen (zu) grossen Einfluss auf das Äussere und damit auf das Image des Autos hat.

Deshalb ist ja auch der Preiskampf mit den Leasingraten so schnell in Schwung gekommen.

Schwarzer Saab
Schwarzer Saab
2 Jahre zuvor

Der Marvel fiel mir auch schon auf. Gutes Design!