Alkoholisiert im Straßenverkehr – Reise in die Schweiz mit dem Saab 9-3

In meiner Vorstellung hatte ich geschrieben, dass ich einmal einen Vergleich wagen möchte zwischen einem Citroën C5 Tourer und dem SAAB 9-3 SportCombi. Das Ganze verpacke ich ein bisschen und nehme euch mit auf eine Reise in die Schweiz (und wieder zurück) auf einer Strecke und an Orten, an denen ich mit meinen beiden C5 mit Stahlfederung und mit Hydractivfahrwerk schon war.

Eine Reise durch die Schweiz. Am Genfer See.
Eine Reise durch die Schweiz. Am Genfer See.

Einen Citroën C5 Tourer habe ich von 2015 bis 2021 gefahren. Vielmehr: zwei. 2015 bis 2019 einen C5 Tourer HDi 110 FAP mit 112 PS Tendance (mittlere Ausstattungslinie) und Stahlfederung, 2019 bis 2021 einen C5 Tourer BlueHDi 150 mit Hydractivfahrwerk und 150 PS, Basisausstattung; die allerdings schon üppiger war als die vorgenannte mittlere Ausstattungslinie Tendance. Mein 9-3 hat mittlerweile einen Tempomaten bekommen wie auch ein Bluetooth-Modul, so dass ich ihn bei Bedarf zu einer Telefonzelle umfunktionieren kann. Was auch gut funktioniert. Für die anstehende Reise war ich gerüstet.

Ziel war Kloten bei Zürich. Ich hatte dort in einem Hotel noch ein Guthaben vom vergangenen Jahr, als Staatsgrenzen plötzlich wieder wichtig waren und Europa in den Zustand von vor 1988 zurückfiel. Via A7 und A81 führte der Weg. Der 9-3 ist ideal als Reisewagen, insbesondere wenn man alleine oder zu zweit fährt, wie in meinem Fall. Es geht eine ganze Menge Gepäck in den Kofferraum, Kühlbox, Reisetasche, zwei Kartons. Der C5-Kofferraum war etwas größer, ausgenutzt habe ich ihn allerdings – ohne umgeklappte Rücksitze – nur ein einziges Mal.

Vergleicht man die Sitze von 9-3 und C5, so fällt auf, dass sie im 9-3 merklich weicher sind. In meinem 9-3 sind die Sportsitze verbaut. Ich hatte im 9-3 zunächst das Gefühl, eher „auf“ dem Sitz zu sitzen, nicht „im“ Sitz, wie beim C5. Und tatsächlich sind die Seitenwangen beim C5 ausgeprägter und geben das Gefühl, eingepasst zu sitzen. Der Sitz selbst ist straff, völlig anders, als man es von früher von französischen Autos kennt. Aber: man fährt problemlos 1.000 Kilometer darin und steigt entspannt aus. Genau wie beim 9-3.

Lugano
Lugano

Nach einiger Zeit sitze ich hier sehr bequem und ehrlich gesagt: entspannter. Beide Fahrzeuge haben hier noch etwas Luft nach oben, das ist aber schon Jammern auf hohem Niveau. Bequem sind beide. Und SAAB verdient ein großes Lob dafür, dass man zwischen Echtleder und Kunstleder praktisch keinen Unterschied sieht und fühlt.

Beim Fahrkomfort muss ich aufteilen zwischen dem 9-3 einerseits und dem C5 mit Stahlfederung andererseits sowie dem C5 mit Hydractiv-Fahrwerk als drittem Fahrzeug.

Saab 9-3 und C5 mit Stahlfederung sind sich sehr ähnlich beim Fahrkomfort. Komfortbetont, bei gröberen Unebenheiten gibt es beim C5 durchaus mal einen Stoß als Rückmeldung, der 9-3 trampelt hier etwas mehr. Das durfte ich auf einer etwa zwei Kilometer langen Kopfsteinpflasterstraße in Sachsen-Anhalt erleben. Kein hartes Geschüttel, man merkte, dass das Fahrwerk komfortbetonter ausgelegt war. Und genauso hat sich der stahlgefederte C5 auf diesen Straßen verhalten.

Der Citroën C5 mit Hydractivfahrwerk ist nochmal eine Klasse besser. Schweben wäre zu viel gesagt. Aber Fahrbahnunebenheiten kommen sehr gedämpft an, wenn man sie denn überhaupt bemerkt. Lediglich bei kurzen Unebenheiten wie grobe Teerflicken gibt das Fahrwerk die Stöße direkt durch. Abgefahrene Betonplattenautobahnen mit diesen Ausbesserungsmaßnahmen machen da keinen Spaß. Das ist eine Eigenheit der Hydropneumatik. In diesen Fällen schlägt sich der 9-3 besser. Aber ganz klar: beide sind auf Komfort ausgelegt, eine Tugend, die französische wie schwedische Automobilhersteller in der Vergangenheit sehr pflegten.

Den 9-3 würde ich vom Federungskomfort dem C5 mit Stahlfahrwerk als ebenbürtig ansehen. Eine gute Arbeit aus Trollhättan, wo man ansonsten heute nur noch „sportlich-straffe“ Fahrwerke kennt. Das Fahren an sich macht im 9-3 mehr Spaß.

Bei der Bedienung unterscheiden sich die beiden Wagen – C5 und 9-3 – voneinander. Der C5 bietet hier eine augenfällige Besonderheit: das Lenkrad; beweglich ist nur der Lenkradkranz, der Pralltopf bleibt starr. So sind Tasten und vor allem der Airbag immer in der richtigen Position. SAAB hätte das auch nicht schlecht zu Gesicht gestanden. Der Sicherheitsgedanke wurde in eine typisch französische Eigenart verpackt. Mit Erfolg. Und das vermisse ich. Ich muss wieder aufs Lenkrad sehen, wo denn die Telefon-Annahmetaste ist, wenn ein Anruf just in dem Moment eingeht, wenn ich durch einen Kreisverkehr fahre.

Beim C5 III gibt es wie beim SAAB übrigens einen „Nachtmodus“! Alle unwichtigen Elemente werden abgedunkelt. Die Symbole für das Abblendlicht leuchten allerdings mit voller Strahlkraft und lassen sich auch nicht weiter dimmen. Das ist im SAAB merklich besser umgesetzt. Auch wirkt die grüne Beleuchtung beruhigender und zugleich frischer, wenn man das so ausdrücken darf, als die orange Beleuchtung im C5. Zumindest für mich.

Eine Sache kann mein 9-3, die der C5 nicht konnte: er verträgt eine Menge Alkohol. Das ist ein etwas unfairer Vergleich, denn meine beiden C5 waren mit HDi-Dieselmotor ausgerüstet. Da wird es mit dem Alkohol schwer.

Nachdem ich die A81 mit ihrem an diesem Tag sehr zähen Verkehr verlassen durfte, bin ich direkt hinter der schweizerischen Grenze zur Agrola-Tankstelle in Diessenhofen gefahren. Dort verkauft Agrola – wie an noch 12 anderen Tankstellen in der Schweiz – E85.

Agrola Tankstelle in Diessenhofen
Agrola Tankstelle in Diessenhofen

An der Kasse hat man mich anhand meines Zungenschlags natürlich sofort als Deutschen identifiziert und nach dem Blick darauf, was ich getankt habe, gefragt: „Haben Sie das schon einmal getankt?“ Begleitet von einem lauernd-bangen Blick. Als ich klarstellte, dass mein Wagen E85 verträgt, entspannten sich die Gesichtszüge der Kassiererin. „Hier haben wir oft Deutsche, die tanken das, weil sie meinen, das sei wie bei Ihnen das E10.“ Wie man E10 und E85, die auf den Zapfpistolen und an der Zapfsäule als solche gekennzeichnet sind, verwechseln kann, war ihr und mir ein Rätsel.

In Kloten habe ich dann Quartier bezogen. Der 9-3 hat sich gut gemacht zwischen den ganzen nobleren und größeren Karossen in der Tiefgarage, wie man sieht

Saab 9-3 in der Tiefgarage
Saab 9-3 in der Tiefgarage

Auf dem Weg nach Kloten kam mir ein 9-3 zweiter Generation entgegen. Bis zu den nächsten Begegnungen sollte es noch ein bisschen dauern. Die fanden dann alle am letzten Tag statt. Zunächst beim Besuch eines Modelleisenbahnhändlers im Industriegebiet von Embrach, nördlich von Zürich. Ein einziger Parkplatz war noch frei:

Zufälle gibt es nicht! Ein 9-5 SportCombi, ein Faceliftmodell von nach 2002. Ein paar Beulen und Kratzer hatte er schon. Aber ein wirklich schönes, zufälliges Zusammentreffen.

Und das nächste Treffen folgte auf dem Fuße: bei der Garage Bahnhof, einem Suzuki-Betrieb in Embrach stand ein schwarzes 9-3-Cabrio erster Generation zum Verkauf! Aus nicht mehr nachvollziehbarem Grund habe ich nicht angehalten und einmal einen Blick gewagt. Vielleicht wohnt ja jemand in der Nähe? Der Wagen sah gepflegt aus.

Und kurze Zeit später, auf dem Weg zur Autobahn kam mir ein schwarzer 9-5 SportCombi „Chrombrille“ entgegen. Die Ausbeute war reichlich an dem Tag.

Auf der Fahrt konnte ich auch den Innenraum und insbesondere die Verarbeitung vergleichen. Ein weniger rühmliches Kapitel für den 9-3. Bei Fahrbahnunebenheiten klappert es an der Beifahrertür, knistert und klappert irgendwo an der Armlehne und irgendetwas jiebelt dort auch; ich habe die Kunstlederpolsterung im Verdacht. In der Deckenbeleuchtung knistert es. Das Gepäckraumrollo könnte auch Dämpfung gebrauchen, von dort ist ebenfalls ein Klappern zu hören. All das kennt der C5 nicht. Zumindest nicht bei der gleichen Laufleistung.

Die verwendeten Materialien im C5 wirken durchweg hochwertiger als im 9-3. Und wenn man sich vor Augen hält, dass der C5 damals einige tausend Euro günstiger war, fragt man sich schon, ob man bei SAAB beziehungsweise GM nicht einmal über den Tellerrand gesehen hat. Andererseits: BioPower-Motoren, bei denen der Alkohol für mehr Leistung sorgt, das konnte nicht nur Citroën nicht.

Wie ist es denn nun, merkt man einen Unterschied, wenn E85 eingesetzt wird? Ein ganz klares. Jein. Vom Geräusch her habe ich nichts feststellen können. Man sieht, dass der Verbrauch steigt, etwa 9,5 bis 10 Liter war der Verbrauch; auch dank der Geschwindigkeitsbegrenzungen in der Schweiz. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass der Wagen noch ein bisschen besser durchzieht. Das muss ich aber nochmal verifizieren.

Insgesamt bin ich auf dieser Reise 1.150 Kilometer mit E85 gefahren. Aufgetankt habe ich noch einmal bei der Agrola-Tankstelle in Regensdorf und bei der Carrefour-Tankstelle in Scheibenhard an der deutsch-französischen Grenze im Elsaß. Der Liter E85 kostete in Diessenhofen in der Schweiz 1,40 Franken pro Liter, was in etwa 1,29 Euro entspricht. Auf dem Foto oben sieht man, was die anderen Benzinsorten kosten.

Bei der Agrola-Tankstelle in Regensdorf war der Liter für 1,36 Franken zu bekommen, umgerechnet 1,25 Euro. Bei der Agrola-Tankstelle in Worb bei Bern war der Liter für 1,52 Euro erhältlich, umgerechnet ca. 1,40 Euro. Die Unterschiede waren nicht tageszeitenbedingt. Nach meiner Beobachtung gibt es die häufigen Sprünge beim Kraftstoffpreis wie in Deutschland nicht.

Die Dichte der E85-Tankstellen in der Schweiz hat stark abgenommen. Neben den 13 Tankstellen der Agrola gibt es noch vier von der Agip/Eni. Der Norden der Schweiz im Raum Zürich ist besser bedient als der Süden, wo man E85 oft vergebens sucht.

In Frankreich – ich hatte die Rückfahrt bewusst übers Elsaß gelegt – sieht es mit E85 ganz anders aus. Dort findet man von Basel bis Scheibenhard gleich vier Tankstellen am Weg, die E85 führen. Für eine Telefonkonferenz bin ich von der Autobahn in Rixheim abgefahren und habe gegenüber der dortigen Total-Tankstelle geparkt.

Total Tankstelle in Rixheim
Total Tankstelle in Rixheim

Der Preis ist erstaunlich, oder? E85 ist also eine echte Ersparnis!

In Scheibenhard war E85 teurer mit 81,6 Cent pro Liter; das sind Preise wie an den anderen Autobahntankstellen entlang des Weges.

Es ist sehr bedauerlich, dass E85 durch einen politischen Entscheid zu 2016 vom Markt verbannt wurde. Mit einem anderen Weg beim Umgang mit alternativen Kraftstoffen wäre es schneller möglich gewesen, den CO2-Ausstoß der Bestandsflotte umgehend zu senken. Das betrifft sowohl Benziner als auch Fahrzeuge mit Dieselmotor.

Waschsalon auf dem Gelände von Scheibenhard
Waschsalon auf dem Gelände von Scheibenhard

Flex-Fuel-Fahrzeuge waren seit 2014 praktisch unverkäuflich, auch diese hätten ihren Anteil dazu übernommen. Das war allerdings politisch nicht gewollt und ist es auch derzeit nicht, wenn man sich Aussagen der politischen Parteien ansieht und anhört; sogar diejenigen Gruppierungen, die ein Interesse daran haben sollten, negieren es.

A5 - elektrisches Fahren in Deutschland
A5 – elektrisches Fahren in Deutschland

Es soll halt elektrisch sein. Vielleicht montiere ich mir noch einen Doppelstromabnehmer aufs Dach, dann kann ich zumindest Auf A5 und A1 – und bald auch in Bayern dank Förderbescheid aus dem Bundesverkehrsministerium kurz vor Ende der Legislaturperiode – elektrisch fahren 😉

Und dabei belasse ich es auch; wer welche Ansicht gut oder nicht gut findet, soll hier nicht Gegenstand der Diskussion sein. Wir haben Freude am Fahren Langzeittauglicher Fahrzeuge, die klammheimlich ein gutes Beispiel für die Vereinbarung von Ökonomie und Ökologie darstellen.

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Der Lizi
2 Jahre zuvor

Danke Christian für den tollen Bericht. Vor allem für die aufschlussreichen Vergleiche der Qualität vom C5 und 9-3. Ich fahre zur Zeit sehr viel mir einem neuen Mitglied meiner Saab-Familie: einem 9-3 Sedan Aero aus 2005. Interessant und mutig, was damals im Innenraum verbaut wurde. Vor allem im direkten Vergleich mit älteren Saabs fällt der damals vorherrschende Sparwahn besonders auf…. Aber kurz nach dem Starten des Motors sollte der Blick auf die Straße gerichtet werden. Und das Lenkrad ist beledert und fühlt sich gut an. Fahren mit diesem Wagen ist einfach nur grandios. Saaabiger geht es kaum. Der 4 Zylinder Turbo ist eine Wucht. Das Fahrwerk eine perfekte Mischung aus straff-sportlich und komfortabel. Und die Sitze komfortabler, als vermutet. Seine Form finde ich schöner denn je. Vor allem, wenn ich neben den modernen Sicken- Monstern parke, die zunehmend aus dem Fundus utopischer Sci-Fi Filme a la „ Mad Max“ zu stammen scheinen. Nochmal herzlichen Glückwunsch zu Deinem Kauf.

Der Lizi

Der Lizi
2 Jahre zuvor

Saab Rumia – habe mir gerade die Webseite angeschaut…. Macht wirklich Lust auf einen Besuch. Die Kurzfilme sind sehr kultig…. Absolut sehenswert. Auch ich danke Adam unbekannterweise für den Tip.

Der Lizi

Ebasli
Ebasli
2 Jahre zuvor

Toller Bericht, vielen Dank! 🙂 Genau eine solche Reise (Genfer See zwecks Verwandtenbesuchen und Elsass auf dem Hin- oder Rückweg) planen wir schon länger – natürlich als netten Nebeneffekt auch, um endlich mal wieder E85 mit dem Cabrio tanken zu können. Die fantastischen Preise und die vorbildlich vernünftige diesbezügliche Energiepolitik Frankreichs kann man ja sehr gut auch aus der Ferne übers Netz “beobachten” (und wo man E85 zu welchem aktuellem Preis tanken kann, es gibt zB französische Apps “Stations E85” und “Stations Carburants”), so hatte ich auch immer schon die Tankstelle in Scheibenhard als ersten Zwischenstopp im Blick. Für die Reise innerhalb der Schweiz hatte ich nur gehofft, dass es in der Tat doch noch ein paar Tankstellen von Agrola gibt, die es weiterhin anbieten, über den Preis konnte ich nix finden. Jetzt weiß ich auch dank dieses interessanten Reiseberichtes insoweit Bescheid und freue mich auf unsere Reise – in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft.

Ebasli
Ebasli
2 Jahre zuvor

Klaase, sehr hilfreich, werde ich gleich abspeichern, vielen Dank!

White_AERO
White_AERO
2 Jahre zuvor

Sehr schöner und informativer Bericht über den SAAB Tellerrand hinausDanke an Christian
Keep Saabing, Daniel