Rückspiegel: Lotus-Youngman und die verpassten Chancen

Für Rachel Pang sind Träume geplatzt. Die Illusion einer globalen Premium Marke unter chinesischer Obhut gehört der Vergangenheit an. Eine Überraschung war es nicht ! Der Ruf von Youngman war in Schweden schon im Dezember ruiniert, das Vertrauensverhältnis auf einem Nullpunkt angekommen. Wie konnte die Strategie der Chinesen so grandios scheitern?
Der Start war vielversprechend, und es schien eine Liebeshochzeit zu werden. Die Chemie zwischen Muller und Rachel Pang schien zu stimmen. Man schrieb sich SMS, war vertrauensvoll. Die NDRC signalisierte Wohlwollen aus dem Pekinger Elfenbeinturm. Doch Muller verschmähte die Braut und bandelte mit neuen Partnern an. Hawtai war plötzlich der Favorit, und der Saab CEO hatte damit einen weiteren Baustein für sein finales Scheitern gefunden.
Von nun an war die Stimmung von Misstrauen geprägt. Bei der Super-Bürokratie in Peking gingen die Warnlichter an, Saab galt als unzuverlässig. Nachdem man sich dann doch wieder, diesmal mit Partner Pang Da, zusammen gefunden hatte, schien es weiter zu gehen. Doch wer auf eine schnelle Entscheidung gehofft hatte, der sah sich zunehmend enttäuscht.
Die Verhandlungen waren zäh, beide Parteien schienen sich zu belauern. Die Situation bei Saab verschlimmerte sich zusehends, die Produktion kam nicht mehr ans Laufen. Mit immer neuen Geldtransfers wurde der Konzern erst einmal vor dem Untergang bewahrt. Nach dem Ausscheiden von Pang Da war Youngman dann der letzte seidene Faden, der sich aber als zu wenig belastbar erweisen sollte.
In dieser Situation kamen die Schwächen einer staatlich gelenkten Wirtschaft zum Vorschein. Öffentlich forderte die NDRC Lotus-Youngman zur Vorsicht auf. Die Chinesen reagierten und überwiesen nur noch die unabdingbar notwendigen Beträge. Saab war jetzt endgültig an der kurzen Leine der Investoren, es gab keinen Spielraum mehr. Ein dringend benötigter finanzielle Puffer existierte nicht.
Die Folgen waren fatal. Nicht nur für das Image, das im 2. Halbjahr 2011 immer mehr ramponiert wurde. Auch die Mitarbeiter bekamen die Folgen zu spüren. Durch den bürokratischen Ablauf in Peking kamen alle Gelder verspätet an. Gehälter konnten nicht mehr pünktlich bezahlt werden, der Konzern kam über Monate nicht mehr aus den Negativschlagzeilen heraus. Im Saab Management wuchs der Frust und die Wut über den Partner. In Schweden galt Youngman fortan als unzuverlässig. Ein Makel, der bis heute anhaftet.
Die letzte Überweisung vor dem Konkursantrag im Dezember wurde von der NDRC nicht freigegeben, weil GM endgültig die Zustimmung zu den Techniklizenzen verweigerte. In einer dramatischen Nachtsitzung kam das Ende. Damit war der Weg für Victor Muller nach Vänersborg zwingend. Saab unter Spyker Leitung war am Ende. Gleichzeitig aber auch Youngman.
Der Ruf in Schweden war ruiniert und wenn die Chinesen nur halbwegs die europäische Mentalität verstanden hätten, dann wäre zu diesem Zeitpunkt jedes Engagement erloschen. Zurück in die Heimat, Verluste ausbuchen, Wunden heilen. Statt dessen ging man in die Offensive. Gab man an Bahnhöfen Interviews, in dem man ankündigte, zukünftig Billigautos von den Bändern in Trollhättan laufen zu lassen. Jeder ehemalige Saab-Offizielle, Repräsentant eines stolzen Unternehmens, hörte diese Worte mit Grauen.
Hätte Pang Quingnian auch nur halbwegs den Stolz der Schweden auf ihre Marke reflektiert, er hätte diese Worte niemals gesagt. Er hatte eben nicht verstanden. Geld ist in mancher Leuten Augen gleichbedeutend mit Macht. Wer die NDRC hinter sich weiss, der verfügt über einen fast unbegrenzten Dispo. Sehr viel Geld, also sehr viel Macht? Alles käuflich?
Pang Quingnian und seine Tochter haben die europäische Denkweise nicht verstanden. Neureich trifft auf verarmten Adel. Geld ist nicht alles im Leben, es ist meist nur bedrucktes Papier. Die Administratoren haben die Fähigkeit sehr gut zuhören zu können. Sie nahmen sich die Zeit, dem ehemaligen Management und anderen Saab Repräsentanten zuzuhören. Sie banden und binden Saab-Verantwortliche in den laufenden Prozess ein, fragen um Rat. Am Ende konnte nur eine Entscheidung stehen. Das Aus für Lotus-Youngman.
Eine staatlich gelenkte Bürokratie scheint Sicherheit zu garantieren. Aber nur auf den ersten Blick. Im Fall China ist sehr viel Risiko dabei. Was, wenn das Politbüro beschliesst, sich aus der Automobilbranche zurück zu ziehen und alle Auslandsinvestitionen auf Null setzt? Im Fall Youngman soll es so gewesen sein. Die NDRC sei nicht mehr an der Autobranche in Schweden interessiert, und man setze mehr auf die Umweltbranche, ist aus Peking zu hören.
Eine lahme Ausrede, ein Rückzugsgefecht um das längst verlorene Gesicht zu wahren. Saab, Schweden – Youngman und China passen nicht zusammen. Der finale Favorit für die Schweden und die Community kommt aus Indien. Der soll sich in einigen finanziellen Details noch etwas zieren. So hört man. Die Administratoren spielen jetzt die Karte eines beteiligten Konsortiums, um den Druck aufrecht zu halten. Bisher spielen sie Ihr Spiel recht gut. Chapeau!
Text: tom@saabblog.net
Guter Artikel.
Der erste Interessent ist somit aus dem Rennen und es wird sich zeigen, wie es weitergeht.
Danke für die Zusammenfassung der GEschehnisse der vergangenen Monate!
Persönlich denke ich, dass die Sache längst gelaufen ist.
Erinnern wir uns: Die Linzenzen für den 9-3 II und den 9-5 I sind längst nach China verkauft. Stimmt BAIC wirklich zu, dass die Inder weiter den 9-3 II produzieren? Für den 9-5 II und den 9-4 liegen die Lizenzen bei GM und die stimmen einer Weitervergabe bekanntlich nicht zu.
Die Lizenzen an der Phönix-Plattform wurden auch schon für Kredite verhökert. Was für ein Fahrzeug soll also noch produziert werden?
Bliebe nur, dass die Inder (oder wer auch immer) ein eigenes Modell produzieren und den Greif vorne drauf montieren. Dann ist das aber kein echter SAAB mehr.
Ich würde das so schwarz nicht sehen. Vielleicht kommt etwas völlig neues und vielleicht hat der neue Eigentümer ein gutes Händchen beim Personal. Er stellt ehemalige SAAB Ingenieure ein und der Spirit wird weiterleben. Dazu noch Tom der dann in D als SAAB Repräsentant die Marke verkörpert. Da kann nix mehr schief gehen. 🙂
Ja, vielleicht könnte das funktionieren. Aber bis ein neues Auto entwickelt und serienreif ist, vergehen 3 – 4 Jahre.
Sogar hier in den “eigenen Reihen” immer diese Schwarzmaler.
Neuentwicklungen gehen defintiv auch schneller als im besagten Zeitraum vob 3 – 4 Jahren – zumal die neue Plattform bereits in einem sehr weiten Stadium ist. Dieser Punkt wäre also kein Grund zur Panik.
Viel wichtiger ist doch, dass nun endlich der wirklich passende Eigentümer ans Ruder kommt!
Ja, und bitte ein spannendes, seriöses Konzept! Ansonsten lockt man sicherlich keine SAAB-Ingenieure, die in die europäische Automobilindustrie abgewandert sind um ihre Existenz zu sichern, zurück nach Trollhättan.
Hallo Leute,
Ich bin ja ein fleissiger Leser von Toms Blog und kann da nur sagen, nun da hat einer nicht ganz zugehört 😉 denn für die Phönix-plattform hat man “nur” ein Technologiesharing ausgemacht und dies auch nur für die Basis, also haben die einen Haufen Papier ohne nützlichen Wert, diesen auf den Saabstand zu bringen bedarf doch einige Jahre. Die Rechte liegen noch immer bei Saab, die Platform ist noch in schwedischen Händen. Stimmt doch so Tom oder?
Grüsse aus der Schweiz
Yves
“Non-Exklusive” Nutzung, so ist es lieber Yves. 😉
Hallo Frank. So weit – so gut. Aber das mit dem repräsentieren überlassen wir doch lieber mal den Profis die was von der Branche verstehen.
Ganz ohne den einen oder anderen Kompromiss wird es mit Sicherheit nicht laufen …
Kompromisse sind wir ja aus der GM Zeit gewöhnt… 😉
Ein hoch und runter.
Aber von Tom toll zusammengefasst. Danke.
Wenn man nicht täglich seine Saab`s fahren würde,
wäre das schon lange nicht mehr auszuhalten.
Schöne Grüße aus Thüringen.