Saab 9-4x News: Die FAZ über Saab und den neuen Saab 9-4x

Die FAZ hat sich mit dem Saab Thema beschäftigt und den neuen Saab 9-4x zur Probe gefahren. Die Lektüre zum Feierabend:
Saab hat noch immer nicht aufgegeben
Die schwedische Traditionsmarke Saab steht am Abgrund. Den freien Fall ins Nichts kann nur ein wohlmeinender Investor verhindern. In Trollhättan glaubt man, mit einem SUV und neuer Allradtechnik gute Argumente zu haben.
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Mit Galgenhumor kommentiert ein Saab-Sprecher den jüngsten Rückschlag im Überlebenskampf der schwedischen Automobilmarke, die in Deutschland einst erfolgreich unter Intellektuellen punktete: Der chinesische Investor Hawtai kann sein Versprechen nicht einlösen, er greift den vor der Zahlungsunfähigkeit stehenden Schweden nicht wie angekündigt mit 150 Millionen Euro unter die Arme. Der Plan, die seit fünf Wochen wegen Zuliefererboykotts (Saab hat Rechnungen nicht bezahlt) geschlossenen Fabriktore in Trollhättan am 16. Mai wieder zu öffnen, ist – Stand heute – gescheitert. Jetzt will sich angeblich der größte chinesische Autohändler, die Pang-Gruppe, engagieren. Doch der Glaube, dass Saab noch zu retten ist, schwindet immer mehr.
Dass sie heute im Regen steht, verdankt die schwedische Marke der verfehlten Modellpolitik zu Zeiten der Herrschaft von General Motors (GM). Alle Modelle, die nach dem Urgestein Saab 900 auf den Markt kamen, waren im Prinzip neu eingekleidete Opel. Die Kunden reagierten mit schwindendem Interesse. 2010 sackte der Absatz auf 32.000 Einheiten. In Deutschland, wird gemunkelt, haben die Schweden 2011 keine 100 Autos verkauft. Das Kraftfahrtbundesamt listet Saab nicht mehr auf.
Die Marke schien gerettet, als die holländische Sportwagenmanufaktur Spyker im Januar 2010 für ein Handgeld von (geliehenen) 53,1 Millionen Euro einstieg. Fortan schürfte ihr umtriebiger Chef Victor Mueller nach Geld, insbesondere im investitionsfreudigen China. Außer den Gesprächen mit Pang gibt es offenbar Kontakte mit dem Hersteller Great Wall. Das chinesische Unternehmen baute 2010 gut 400.000 Autos. Klugerweise habe Mueller die seit rund sechs Monaten gepflegten Kontakte zu sieben weiteren chinesischen Automobilherstellern im Hintergrund weitergeführt, kommentiert ein Saab-Manager die jüngste Aktivität. Dazu zählen der neue Volvo-Eigner Geely und BAIC (Beijing Automotive Industry Group). BAIC kaufte schon 2009 für 200 Millionen Dollar die Produktionsrechte für Saabs Plattform, Motoren und Getriebe von GM, um die aktuellen Saab 9-5 und 9-3 ab 2012 in China herzustellen.
Kein Dieselaggregat im Angebot
Hausieren geht Mueller bei chinesischen Herstellern hauptsächlich mit zwei neuen Saab-Modellen, dem von Juni an erhältlichen Geländewagen 9-4X und dem für Oktober 2012 erwarteten neuen Mittelklassewagen 9-3. Das SUV wurde unter Leitung von Chefingenieur Peter Dörrich von Saab-Ingenieuren bei GM entwickelt. Allerdings musste der 4,84 Meter lange, 1,91 Meter breite und 1,68 Meter hohe 9-4X der GM-Politik folgend dem Schwestermodell Cadillac SRX den Vortritt lassen. Der mit schärfer gezeichneter Karosserie auf Saab-Basis entstandene Amerikaner fuhr schon 2009 in den dortigen Markt und wird von amerikanischen Fachjournalisten als fahraktivster amerikanischer SUV gelobt.
Wir fuhren den neuen 9-4X, der gegenüber dem SRX mit strafferem Fahrwerk und präziser ZF-Lenkung kommt und gegen BMW X5 und Audi Q5 antreten möchte. Doch von einem charakterschwachen 2,8-Liter-V6-Benziner angetrieben, hat er in Europa wenig Chancen. Zumal die Kraft des 300 PS starken, durchzugskräftigen GM-Aggregats von einer behutsam schaltenden Aisin-Automatik in sechs Stufen portioniert wird. Dass ein für den europäischen Markt überlebenswichtiges Dieselaggregat nicht angeboten werden kann, schmerzt Entwickler Dörrich besonders. Hawtei hätte es beisteuern können. Denn die Chinesen fertigen einen von VM in Italien entwickelten modernen 3,0-Liter-V6. Die Frage, zu welchen Kosten man ihn an die Produktionslinie ins mexikanische Ramos hätte liefern müssen, wo der Saab 9-4X zusammen mit dem Cadillac SRX entsteht, stellt sich nun nicht mehr.

Wie in der Kommandozentrale eines Airbus
Dafür fährt der Allradantrieb des 9-4X auf der Höhe der Zeit: Eine Haldex-Kupplung der jüngsten Generation verteilt die Kraft analog zum Audi Quattro-System variabel von den Vorder- zu den Hinterachsen. Zudem wird der Kraftfluss an die Hinterräder nach dem Torque Vectoring-Prinzip geregelt. So bleibt der 9-4X auch bei hohen Kurventempi trotz bauartbedingter Karosserieneigung hervorragend in der Spur. Mehr noch aber liegt die Stärke des Saab 9-4X in seinem geschliffenen Design. Mit Merkmalen aus der Aeronautik bietet er eine erfrischende Alternative zu Fahrzeugen einer Gattung, die überwiegend mit kraftvollen Flanken und scharfen Karosserielinien von deutscher Robustheit zeugen: Die zu den Seitenscheiben umlaufende Windschutzscheibe ist einer Flugzeug-Kanzel nachempfunden, die Alu-Räder erinnern an Triebwerksschaufeln und das Cockpit weckt Assoziationen zur Kommandozentrale eines Airbus.
Die bläulichen Scheinwerfer schimmern wie die skandinavische Eislandschaft und verbreitern unter 30 km/h automatisch ihren Lichtkegel zur besseren Fußgängererkennung im Stadtverkehr.
Einzigartig stabiles Fahrverhalten
In Schweden begann Saab schon unter GM, aber unbeaufsichtigt, mit der Entwicklung der völlig neuen Phoenix-Plattform. Auf ihr sollen die nächsten 9-3 und 9-5 sowie ein kleiner SUV unterhalb des 9-4X entstehen. Ihre innovative Fünflenker-Hinterachse gilt jetzt als Appetithappen für Investoren. Sie wird von zwei Elektromotoren nur bei Bedarf angetrieben, wobei jedes Rad einzeln angesteuert wird. Mit konventionell angetriebenen Vorderrädern wächst hier ein Allradantrieb zusammen, der ein einzigartig stabiles Fahrverhalten verspricht.
Den sparsamen, aber kraftvollen 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner liefere BMW zu, verspricht Saab. Ob das Bestand hat, wenn Chinesen bei Saab das Sagen bekommen, darf bezweifelt werden. So bleibt die Zukunft von Saab weiterhin eine Hängepartie an täglich stärker bewitterten Seilen. Wenn nicht bald jemand investiert, werden sie gekappt. Das wissen natürlich auch die chinesischen Gesprächspartner von Mueller. Als ausgefuchste Kaufleute könnten bis zur letzten Sekunden warten, bis Muellers Nerven blank und der Einstiegspreis bei Saab im Keller liegt. So gesehen ist Saab in diesen Tagen nicht am Ende. Noch nicht.
Quelle/Text: Jürgen Zölter / FAZ
Bilder: Saab Automobile AB