BAIC BJ40. Die Rückkehr des Dicken.

Sein Auftritt ist martialisch. Ein Berg von Auto und jenseits aller politischen Korrektheit. Der BAIC BJ40 provoziert. Die Michigan Miliz hätte ihn wahrscheinlich gemocht, wenn er nicht unglücklicherweise aus China wäre. Dumm gelaufen, denn der BJ40 ist ein wahrer Geländewagen, weit weg von jedem Gepose modischer SUV`s.

Der BAIC BJ40 mit Saab Motor
Der BAIC BJ40 mit Saab Motor

Er hat einen massiven Leiterrahmen, zuschaltbaren Allradantrieb, Geländeuntersetzung, eine recht vernünftige Wattiefe und eine gute Bodenfreiheit. Teile des Fahrzeugs werden nach chinesischem Militärstandards gefertigt, mehr als 1.1 Millionen Kilometer wurde der BJ40 laut Hersteller bei der Volksbefreiungsarmee erprobt. Ein Geländewagen vom herben Schlag eines Land Rover Defender, Hummer, oder Jeep Wrangler also. Und dort soll ein Saab Motor unter der Haube sein?

Der Dicke ist zurück

Ein Blick unter die Motorhaube schafft Klarheit. Der dicke B235R Vierzylinder zeigt sich nach dem Abnehmen der Plastikverkleidung. Sein Name ist jetzt B236R, er kann seine Saab Herkunft nicht verleugnen. Willkommen zurück in Europa! Und – kaum zu fassen – wie hat er sich verändert !  BAIC baut den Motor jetzt längs ein. Macht daraus einen Reihenvierzylinder, der an einen Aisin 6 Gang Automaten geflanscht ist. 9-5 OG Fahrer hätten diese Automatik mehr als gerne in ihrem Saab gesehen.

Das Leben ist einfach nicht fair.

Um den Motor gruppieren sich Komponenten, von denen man glaubt, sie irgendwo schon einmal gesehen zu haben. Und richtig, der Zulieferer Delphi und GM Teile dominieren den Motorraum.

Die Karriere der Maschine des BAIC BJ40  nahm ihren Anfang 1990 als B234 im Saab 9000. In den Jahren 1995 und 96 wurde die zweite Generation zu den 10 besten Motoren der Welt gezählt. Im BJ40 leistet sie 245 PS, liefert ein Drehmoment von 350 Nm und erfüllt den Euro 6 Standard, von dem man uns in Trollhättan immer erzählte, dass er mit dieser Motorengeneration unmöglich zu erfüllen sei.

Wir besteigen den BJ40, ein zweckmäßiges, rustikales Ambiente empfängt uns. Passend zum Wagen und routiniert verarbeitet. Ledersitze und Lederlenkrad mit farblich abgesetzten Nähten verströmen einen Hauch von Luxus. Man benötigt für den BAIC Geländewagen kein Handbuch, alles ist klar und einfach zu bedienen. Zündschlüssel ins Schloß, umdrehen, und dann passiert es.

Er blubbert. V8 oder Saab 900?

Der BAIC BJ40 brüllt los, verfällt dann in ein Blubbern,  das eine Mischung aus V8 und Saab 901 ist. Was zur Hölle geht da vor? Unter der Haube, wir haben es gesehen, sitzt ein 2.3 Liter. Kein V6, kein V8 ! Das nette, blubbernde Geräusch verschwindet dann, wenn sich der Koloss in Bewegung setzt. Mit mehr als 2 Tonnen Gewicht und einer leichten Antrittsschwäche,  die auch das Automatikgetriebe nicht überspielen kann.

Die Lenkung ist indirekt, hat Spiel,  wie es bei wirklichen Offroad-Fahrzeugen zwingend sein muss. Die Fuhre lässt sich überraschend leicht und sicher dirigieren. Gibt man Gas, dann rauscht der BJ40 mit martialischer Geräuschkulisse über die Strasse. Dass mit Dämmstoffen sparsam umgegangen wurde,  ist schnell klar, alles findet hier sehr direkt und unmittelbar statt. Kein Auto für Softies, sondern für Jungs vom alten Schlag eben. Über den möglichen Verbrauch sollte man ausserdem nicht nachdenken, er dürfte auch kaum das Thema sein.

BAIC BJ40 Fazit

Der BAIC ist ein Fahrzeug für die Nische,  und er bewegt sich außerhalb aller gängigen Testkriterien. Er ist adressiert für Jäger, Landwirte, Almbauern, Militärs und möglicherweise auch Milizen. Der BAIC BJ40 vermittelt den Eindruck,  auf lange Frist robust und immer fahrbar zu sein. Er zieht bei Bedarf 2.5 Tonnen, die Kunststoff-Beplankung der Kotflügel ist zweckmäßig. Wer Spaß daran hat, der kann die vorderen Dachhälften entfernen und bekommt eine Art fahrenden Hochsitz präsentiert.

Ob der 2.3 Liter von Saab die passende Maschine ist, in China sind Diesel kein Thema, bleibt eine offene Frage. Die legendären Maschinen sind robust und kultiviert, aber der BJ40 hat sehr viel Blech zu bewegen. Raum für einen V6 oder V8 wäre alternativ vorhanden, und auch bei BAIC soll man über Alternativen nachdenken.

Die Verarbeitung passt, einige Lösungen sind sehr einfach und zweckmäßig gehalten. Vieles erinnert an einen Jeep Wrangler, die Türen zum Beispiel. Aber sie fühlen sich beim China Geländewagen massiver an und fallen satter ins Schloß als beim amerikanischen Original. Noch mal Pech für die Michigan Miliz.

20 thoughts on “BAIC BJ40. Die Rückkehr des Dicken.

  • Saab lebt eben trotzdem irgendwo weiter!
    Danke für den Bericht!! Find ich eine interessante Sache mit dem Blick übers Ufer!

  • Lustig! danke. Warum der wohl trotz 2 Tonnen Gewicht und Leiterrahmen nur 2.5 Tonnen ziehen darf?

    • Ich würde die 2.8 Tonnen als Option nicht ausschließen. Eventuell hat man das für Deutschland gar nicht erst angefragt. In China zieht kaum jemand Anhänger mit privat genutzten Fahrzeugen. Da ist das kein Thema.

  • Interessant ist, dass der Motor nun Euro 6 erfüllt und ein aktuelleres Getriebe hat.

    • BAIC hat auch dem 2.0 Liter Saab Turbo eine 6 Gang Aisin Automatik verpasst. Wir testen vermutlich im Februar!

  • Interessant finde ich die Fensterheber direkt unter dem Radio zu plazieren. Fahrerzentriert?

  • Hach, beim ersten BAIC SUV-Beitrag dachte ich noch, was die anderen alle Nörgeln.
    Aber dieses Fahrzeug hat mich nun schlagartig auf diesen Zug aufspringen lassen.
    Dieses Fahrzeug wird sich nie in der westlichen Welt verkaufen lassen. Daher finde ich leider auch dass es nun doch verschwendete Blogkapazitäten sind über diese beiden Fahrzeuge zu berichten.

    • Auf den ersten Blick sieht er schon ziemlich nach Jeep aus. Innen wirklich billiges Plastik, da möchte ich keine Zeit meines Lebens drin verschwenden. next please…

      • sieht leicht abwaschbar aus. Die Oberflächen meiner Chrombrille verstauben ekelig.

        Ist der Innenraum geländetauglich? Kofferraum, nasse Schafe und so? Frage an die Redaktion 😉

        • Die Redaktion sieht den BJ40 als tauglich für das Gelände. Allerdings dann bitte die einfache Ausstattung wählen, evtl. gibt es eine Militärversion zum Kauf?

    • Verschwendete Blogkapazitäten?

      Entscheidet sich diese Frage überhaupt daran, wie man BAIC findet?

      Das Fahrzeug wird hier doch gar nicht als SAAB-Alternative diskutiert. Der Artikel beschreibt emotionslos und objektiv, was BAIC aus seinen Lizenzen und mit einem SAAB-Motor macht. Das befriedigt schon auch die eine oder andere Neugierde.

      Was gibt es da zu nörgeln?

      • Danke Herbert. Meine Worte!

      • Japp, gaaaanz genau – das Teil würde ich mir sicherlich nicht kaufen, es sei denn, ich sattle nochmal auf Waidmann um – dennoch finde ich es höchst interessant über alles zu lesen, worin sich auch nur ein Fünkchen Saab-DNA finden lässt… 😉

  • ….die Baustellenleute hast Du als Zielgruppe vergessen ;-). Hm,…wenn mir der 9-7 für die Baustelle zu schade wird????,..hm…mal ansehen..aber nein! der Dicke fährt noch lange und ich denke ein reiner Verbrenner wird es nicht mehr!

  • 6 Gang Automatik wäre toll gewesen. Man kan aber nicht alles haben. Schon verrückt diese Chinesen, bauen den Motor längs ein.

    • Wieso?

      Bei vielen SUVs mag das anders sein, aber bei echten Geländewagen war und ist längs doch üblich.

  • Dieser Bericht erfreut mich besonders des Hinweises wegen, dass dieser Motor B234 in den 90er Jahren zu den 10 besten Motoren der Welt gezählt wurde. Nun bemühe ich um so mehr, meinen jetzigen 9000 turbo nach 18 Jahren und über 360000 km Laufstrecke weiter am Leben zu erhalten. Vielen Dank für diesen Testbericht.

  • …oder den Motor als Ersatzteilspender in ihren 9-5 der ersten Generation einbauen! Saab-refurbished -der erste Hersteller, der nicht mehr neu produziert sondern “nur” noch bereits vorhandene Fahrzeuge wieder in den Verkehr bringt. Das spart mehr Ressourcen als die Anschaffung eines neuen Elektroautos. Was für eine Geschäftsidee! Bin gespannt, wer uns als erstes mit einer solchen Lösung überrascht…

  • Schade, dass die Frage offen bleibt.

    Gerade darüber, wie sich das alte SAAB-Herz in dem fremden Körper schlägt, hätte ich doch gerne mehr gelesen. Aber trotzdem …

    … ein spannender Kurzbericht mit interessanten Infos. Vielleicht nimmt MapTune den BAIC ja ins Programm? Dann können die Schweden den Chinesen mit mindestens 300 PS und 400 Nm über ihre Schotterpisten knüppeln.

    • Man müsste, um die offenen Fragen zu beantworten, den BJ40 länger fahren. Leider sind Testfahrzeuge beim Importeur extrem knapp und wir haben keine Chance auf eine längerfristige Überlassung. Der X65 wird im Frühjahr das nächste Objekt werden, ich halte ihn für noch spannender und er hat den Saab 2.0 Liter unter der Haube. Eventuell haben wir die Möglichkeit ihn etwas länger zu testen.

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